Kupfer – Segen und Fluch der Energiewende

Wer hierzulande irgendein elektronisches Gerät bedient, kann das nur mit Hilfe des Elements Kupfer. Das rötliche Metall ist einer der wichtigsten Rohstoffe der Welt. Kein Wunder, dass Abbau und Handel boomen – nicht jedoch zwangsläufig zum Wohle aller. Ein Blick nach Peru zeigt, wie die Bergbau-Industrie Umwelt und Menschenleben bedroht.

Kupfer ist ein Schlüsselelement in der Elektronik-Industrie: Das Element findet sich in fast allen Kabelverbindungen, es leitet Wärme und Strom. Bei der Energiewende wird Kupfer eine wichtige Rolle zugeschrieben, denn auch für die Herstellung von Solarpaneelen ist es unersetzlich.

Abgebaut wird Kupfer unter anderem in Peru. Das südamerikanische Land ist der weltweit zweitgrößte Kupfer-Lieferant, es ist das wichtigste Exportgut des Landes. Doch wie so oft sind große Teile des Abbaus, der Weiterverarbeitung und der allgemeinen Wertschöpfungskette weder in nationaler Hand, noch wird sonderlich auf Umweltbelastungen vor Ort geachtet.
Besonders die im Andenhochland ansässige Bevölkerung leidet unter dem immer intensiver betriebenen Bergbau. Vieh- und Landwirtschaft wird durch die große Metallbelastung in den Böden fast unmöglich, die Anwohner klagen über Krankheitssymptome, die auf immense Schwermetallablagerungen in Menschen, Pflanzen und Tieren zurückzuführen sind: Kadmium, Blei, Quecksilber und andere krebserregende und neurotoxische Stoffe, die als Abfallprodukte aus den Abwässern der Minen ins Grundwasser gelangen. Einer Studie des peruanischen Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2020 ist zu entnehmen, dass zehn Millionen Peruaner*innen bereits mit Schwermetallen in einem gesundheitlich bedenklichem Maße kontaminiert sind – knapp 30 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes. Studien von Amnesty International und regionaler Menschenrechtsgruppen bestätigen diese Zahlen und fordern sowohl die Regierung als auch internationale Konzerne auf, endlich zu handeln. Doch sowohl die seit Herbst 2022 andauernde Regierungskrise des Landes als auch die uneinsichtige Firmenpolitik der verantwortlichen Konzerne machen eine Aufklärung sowie eine verbessernde Änderung der Situation schwierig. So verwies beispielsweise das Schweizer Bergbau-Unternehmen Glencore auf fadenscheinige Studien zur natürlichen Metallbelastung im Grundwasser in den Minenregionen, verkaufte dann 2014 allerdings ganz schnell seine Mine Las Bambas an den chinesischen Konzern MMG; wohl auch, um nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Denn die Situation für die Menschen in der Region wandelt sich trotz der Krisen um sie herum: Stimmen Einzelner sind zu Bewegungen geworden, und sowohl die Politik in Peru wie auch die in den Abnehmerländern sieht sich mit zunehmendem Druck aus der Bevölkerung konfrontiert, die diese Zustände nicht mehr hinnehmen will. Ein erster Schritt.

Und was machen Deutschland und die EU?

Die Probleme der Abbauländer sind durch den weltweiten Rohstoffbedarf eng verzahnt mit Produktion und Konsum in den Abnehmerstaaten, vornehmlich also den Industriestaaten des globalen Nordens. Verseuchtes Grundwasser, Schwermetallbelastung regionaler Bevölkerungsgruppen und ausgebeutete Minenarbeiter sind im Beispiel Kupfer und Peru also keine Probleme der dortigen Regierung oder regionaler Konzerne. Sie sind einerseits verbunden mit unserem Konsumverhalten, andererseits aber auch mit der Übernahme von Verantwortung von unternehmerischer Seite – beispielsweise, was Lieferketten anbelangt.
Es ist schon abenteuerlich, dass diese Problematik jahrzehntelang politisch überhaupt keine Beachtung fand, solang das Kupfer schon irgendwie seinen Weg in unsere Geräte fand. Wen interessierte schon der Bleigehalt im Blut eines einzelnen peruanischen Menschen, das Schicksal eines ausgebeuteten Minenarbeiters oder ob die LKW-Fahrerin auf den Strecken von Minen zu Häfen angemessen bezahlt oder Ruhezeiten eingehalten wurden? Von den vielen potenziellen ökologischen Katastrophen ganz abgesehen, die sich auf dem Weg vom Abbauland ins Abnehmerland auf den wochenlangen und zigtausenden Kilometern an Schiffstransporten ereignen können.

Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, kurz Lieferkettengesetz: Das Gesetz nimmt erstmals größere Unternehmen (ab 3.000 Angestellten) in die Pflicht, die gesamte Lieferkette entlang verantwortungsvoll, umweltbewusst und sozial zu handeln und bei Verstößen nachzubessern. Das Gesetz umfasst mittelbare wie unmittelbare Zulieferer sowie die Lieferung zum Endkunden.
Allerdings trägt das Gesetz klar die Handschrift der Einflussnahme durch (CDU-nahe) Wirtschaftsverbände und konservative Politiker, besonders aus den Reihen des Wirtschaftsrats der CDU; dies geht aus einer Studie von MISEREOR und Global Policy Forum aus dem Frühjahr 2021 hervor. Viele ursprünglich enger an UN-Vorgaben gebundene Regulierungen, die vornehmlich aus den Reihen der Bundesministerien Entwicklung und Arbeit kamen, sind seit der erstmaligen Entwurfsveröffentlichung 2019 verwässert worden: So sind beispielsweise zivilrechtliche Schritte von Betroffenen gegen Unternehmen ausgesprochen schwierig geworden. Auch die Größe der Unternehmen wurde immer weiter nach oben ‚korrigiert‘, um möglichst wenige Akteure der deutschen Industrie in Haftung nehmen zu können.
NGOs wie die Initiative Lieferkettengesetz begrüßen daher das Inkrafttreten des Gesetzes, fordern aber auch klar Nachbesserung, besonders im Hinblick auf das potenzielle EU-weite Lieferkettengesetz, das in den nächsten Jahren endlich auf den Weg gebracht werden soll.

Kupfer weltweit – ein Problem der Zeit

Kupfer ist aus unserer technologisierten Welt nicht mehr wegzudenken. Um Kupfer wird seit Jahren gefeilscht und gekämpft, es ist einer der teuersten Rohstoffe der Welt: Der Preis für die Tonne Kupfer nähert sich jüngst wieder der 10.000-Dollar-Grenze an, die in den hochspekulativen Jahren 2008 bis 2011 schon einmal geknackt wurde. Gewinner werden hier sicher nicht die Menschen aus den peruanischen Hochlanden sein. Auf der Gewinnerseite stehen Konzerne und Endkunden, die Geld verdienen und Produkte konsumieren wollen – auf der anderen Seite die abgehängten, unbeachteten Menschen und die sie umgebenden Ökosysteme der Regionen, in denen das Metall abgebaut wird.

Mit Kupfer ist auch die Frage des Elektroschrotts verbunden, wie bereits vor Jahren in Reportagen über den Bezirk Agbogbloshie in Ghanas Hauptstadt Accra berichtet wurde: Zehntausende Menschen leben dort in Müllbergen und verbrennen unter anderem aus Europa importierten Elektronikmüll, um an Kupferdrähte und andere Metalle zu kommen. Die gesundheitliche Belastung ist wie in Peru verheerend. Ein von 2016 bis 2020 laufendes Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wollte mit Sortiermaschinenen und medizinscher Versorgung vor Ort Abhilfe schaffen, aber reicht das? Was sind solche, auf wenige Jahre ausgelegten Projekte im Angesicht von Milliarden Tonnen an Müll und explodierenden Kupferpreisen. Tropfen. Immerhin.

Um diesen Regionen angemessen zu begegnen, ihre Probleme ernst zu nehmen und sie aktiv zu verbessern, braucht es mehr als Lieferkettengesetze und mehr als symptombekämpfende Linderung durch kurzzeitige Entwicklungshilfe. Besonders vor dem Hintergrund des steigenden Kupferbedarfs wird die Notwendigkeit immer dringlicher, wie wir hierzulande mit dieser Thematik umgehen: Verlassen wir uns auf halbgare Gesetzesentwürfe von Politikern, die letztlich ohnehin irgendwann in den Aufsichtsräten jener Konzerne landen, die sie mit diesen Lieferkettengesetzen eigentlich regulieren sollten? Oder schaffen wir Strukturen, um im Betrieb und mit gesellschaftlichem Druck auf Politiker bessere Regulierungen zu erzwingen? Und sind wir im Privaten uns selbst gegenüber wirklich kritisch genug, was das Wegwerfverhalten Elektronik gegenüber anbelangt? Muss es alle paar Jahre ein neues Smartphone sein, ein neuer Fernseher, eine neue Konsole?
Im Kleinen wie im Großen benötigen wir tiefgreifende Veränderungen in einer Zeitspanne, die nicht mehr in Dekaden gemessen werden kann und darf.

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