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Credit: pexels/Blaque X

Was uns Dunkler Sauerstoff über uns selbst erzählt

Die Erkenntnis, das Sauerstoff in den tiefsten Abgründen des Meeres anorganisch entstehen könnte, beschäftigt aktuell die Wissenschaftswelt. Es verrät uns auch auf vielfältige Weise etwas über uns selbst und unser Verhältnis zu unserem Planeten.

Die Nachricht kam einem Schock gleich: Forschende haben in der Pazifischen Tiefsee Hinweise auf anorganische Sauerstoffquellen gefunden. In Tausenden Metern Tiefe wird anscheinend Sauerstoff aus einem elektrolytischen Spaltungsprozess erzeugt, an dem keine Lebewesen beteiligt sind. Die Quellen sind Manganknollen, kartoffelgroße Ansammlungen aus Gestein und Erzen, deren unterschiedlich geladene metallene Bestandteile sich offensichtlich wie eine Batterie verhalten, also elektrischen Strom erzeugen. Der Kontakt mit Salzwasser spaltet dieses wiederum in Wasserstoff und Sauerstoff auf: Der Effekt kann zuhause nachgebildet werden, indem man eine einfache Batterie in Salzwasser legt; das Schäumen und Blubbern ist der aktive Spaltungsprozess, auch Meerwasserelektrolyse genannt.
Bislang ging man in der Biologie davon aus, dass Sauerstoff-benötigendes (aerobes) Leben in der Regel direkt mit Photosynthese in Pflanzen und damit mit Sonnenlicht in Verbindung steht – ohne Photosynthese kein aerobes Leben. Ausnahmen, also andere Formen von Photosynthese ohne Lichteinwirkung waren bisher nur von sogenannten Hydrothermalen Schloten in der Tiefsee bekannt.

Doch jetzt gibt es offenbar ein weiteres Mosaik in der Erkenntnis über die Möglichkeiten, die die Evolution in aus unserer Sicht lebensfeindlichen Umgebungen gefunden hat. Denn in den Tiefseebereichen um die Manganknollen-Vorkommen scheint das Leben förmlich zu pulsieren: Seesterne, Anemonen, Garnelen, Fische, Würmer – die Gebiete in Tausenden Metern Tiefe, weit ab von jeglichem Sonnenlicht, sind offenbar Horte des Lebens, deren Biodiversität eventuell sogar die der artenreichsten tropischen Regenwälder übertreffen. Der ‚dunkle‘ Sauerstoff, der in diesen Tiefen erzeugt wird, scheint dabei eine wichtig Rolle zu spielen.

Diese weitestgehend unerforschten Gebiete könnten uns neue Einblicke in die Entstehung von Leben im Allgemeinen geben, weitere Rückschlüsse auf die Ursprünge des Lebens auf der Erde gewähren – und eventuell sogar Hinweise darauf liefern, wie sich Leben auf anderen Himmelskörpern unter ähnlichen Bedingungen entwickelt. Des Weiteren ist dieser für uns so abgelegene Bereich ein wichtiges Puzzleteil im Verständnis der biologischen Zusammenhänge unseres Systems Erde, von Abhängigkeiten in Nahrungsnetzen, Kohlenstoffverarbeitung und damit ganz konkret ein weiterer, wichtiger Bestandteil unseres Umgangs mit der Klimakatastrophe, in der wir uns befinden.

Was machen wir Menschen hauptsächlich, wenn wir „Erze“ oder „Metalle“ hören? Richtig, vielen läuft ein Speichelfaden aus dem Mund, man geifert und giert förmlich nach Profit und Reichtum. Versteckt wird diese Gier hinter fadenscheinigen Argumenten wie Energiewende und einer daraus resultierenden Notwendigkeit, diese Erze zu fördern. Wie wir bereits an anderer Stelle berichteten, sind weltweit Bemühungen im Gange, die Tiefseeböden unseres Planeten systematisch nach Manganknollen abzusuchen und diese zu fördern, um Metalle für den Bau von Smartphone- oder E-Auto-Akkus zu gewinnen. Dass der Großteil der hier förderbaren Metalle vornehmlich für die Stahlerzeugung genutzt werden soll, wird im Greenwashing-Wahn von Firmen wie The Metals Company (TMC) gern mal unterschlagen. Dass die nun veröffentlichte Studie zu Sauerstoff aus der Tiefe von einem der größten Interessenten an der Förderung mitfinanziert wurde, ist einerseits logisch: Denn die Firmen müssen sich an internationale Abkommen handeln und vor dem Förderbeginn Studien zu möglichen Umweltbeeinträchtigungen zulassen. Andererseits ist es aber auch bezeichnend, dass TMC nun empört über diese Studie einfach behauptet, dass der Sauerstoff anderweitig in die Tiefsee-Proben gelangt sein muss; der verantwortliche TMC-Biochemiker Patrick Downes hat bereits angekündigt, eine widerlegende Gegenstudie zu schreiben. So etwas nennt man wohl profitorientierte Befangenheit von Wissenschaftlern.

An der Frage des Umgangs mit vermeintlichen Bodenschätzen in der Tiefsee und internationalen Abkommen zeigt sich, in welchen Dilemmata wir als Menschheit stecken, wenn es um unser aller Zukunft in Zeiten des Klimawandels geht: Wir schaffen es nicht, allgemein gültige Regelungen zu verabschieden, an die sich gehalten wird, denn die im zuständigen UN-Gremium geplanten Rahmenverträge sind auf der einen Seite offensichtlich lobbyistisch unterwandert: Die International Seabed Authority (ISA) hat im Juli 2023 eine zweijährige Sondierungsphase zu Regularien verstreichen lassen. Nun gilt also mehr oder weniger Wildwest-Stimmung in Fragen des Tiefseebergbaus.

Auf der anderen Seite sind entsprechende Regularien nicht ansatzweise global ratifizierbar, da große Nationen wie die USA sich nicht daran beteiligen. So wird dort seit mittlerweile fünf Präsidentschaften versucht, in der Frage des Tiefseebergbaus potenzielle Regulierungen der ISA anzuerkennen; selbst der sonst so UN-Gremien-feindliche Präsident George W. Bush zeigte sich seinerzeit offen für eine entsprechende Ratifizierung. Aber Republikaner im Umfeld eines einflussreichen ultrakonservativ-nationalistischen Thinktanks, der Heritage Foundation, beeinflussen seit Jahrzehnten die Entscheidungen von Senatoren im Kongress. Man wolle nicht zu viel Macht an internationale UN-Gremien abgeben, heißt es da. Auch wolle man keine gemeinsamen Beschlüsse mit dem Klassenfeind China machen. Doch dadurch rennt die Volksrepublik den USA in der Frage des Tiefseebergbaus aktuell einfach davon. Der US-Isolationismus blockiert damit nicht nur das eigene Land, er schwächt auch die Wahrnehmung international gültiger Abkommen über Umweltfragen erheblich.

Dieses Hin und Her zwischen Staaten und UN-Gremien nutzen Firmen wie The Metals Company eiskalt für sich aus, denn sie können sich schlicht an jene Staaten wenden, die selbst einen feuchten Kehricht auf UN-Beschlüsse geben. So wie der Inselstaat Nauru, der sich aus eigenen wirtschaftlichen Interessen (aber auch Not) nicht zu einem Moratorium in der Frage des Tiefseebergbaus überreden ließ – obgleich mittlerweile bekannt ist, dass die Förderung der Manganknollen verheerende Auswirkungen auf die Lebensräume der dortigen Ökosysteme hat. Und die Interdependenzen zu anderen Nahrungsnetzen in der Wassersäule seichterer Gebiete sowie die Auswirkungen auf Mikroplankton und Kohlenstoffsenken ist noch nicht ein Mal annähernd genug erforscht.

Blicke auf kurzfristigen Profit, keine nachhaltige Perspektive, Gleichgültigkeit mit kommenden Generationen, das scheint das Credo, dass uns als gesamte Menschheit meist antreibt. Das Thema Manganknollen hat zumindest teilweise für abwartende Haltung gesorgt. Die wirtschaftliche Spielwiese der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone im Zentralpazifik (auch Deutschland ist dort involviert) ist der zentrale Fokuspunkt beim Thema Tiefseebergbau: Hier haben viele Länder, die die im 1994 verabschiedeten UN-Seerechtsübereinkommen verteilten Wirtschaftszonen ihr Eigen nennen, tatsächlich Vorsicht walten lassen: Zu groß scheinen die Risiken, zu unerforscht die möglichen ökologischen Folgen. Bislang haben sich 27 der 36 permanenten Mitgliedsstaaten gegen den Beginn des Tiefseebergbaus ausgesprochen – solange die möglichen Auswirkungen nicht ausreichend absehbar sind. Ein Verbot bedeutet das allerdings noch lange nicht.

Uns stehen jetzt zwei Szenarien bevor: Entweder kriegen wir hier als Welt- und Wissenschaftsgemeinschaft die Kurve und erkennen, welche Risiken mit dem Abbau von Manganknollen in der Tiefsee verbunden sind. Die neuesten Erkenntnisse über den Dunklen Sauerstoff aus der Tiefe und seiner vermeintlich ungemein wichtigen Rolle im System Erde sollten weiteren Anlass geben, sich ganz genau zu überlegen, wo wir als Menschheit weiter an ökologischen Stellschrauben wider besseren Wissens herumzudrehen gedenken. Das ist das positive Szenario.

Oder aber Firmen wie TMC gewinnen, weil sie erfolgreich ihre Wissenschaftskollegen diskreditieren und deren Erkenntnisse als falsch darstellen können. Dann werden die Tiefseeroboter bald beginnen, tonnenweise Material vom Meeresboden zu saugen, tilgen einen potenziell wichtigen Sauerstoffproduzenten von diesem Planeten und hinterlassen dabei tote Landschaften. Dann geht den Meeren und uns mittelfristig noch schneller buchstäblich die Luft aus. Auch könnte China im Rahmen seiner zunehmend aggressiven Expansionspolitik im Südchinesischen Meer einfach Fakten schaffen und dort ungeachtet von UN-Abkommen mit dem Tiefseebergbau beginnen. Ein hierbei regulierendes politisches Gegengewicht wie die USA fehlt eben in der ISA. Das ist das Negativ-Szenario.

Rhetorische Frage: Welches Szenario scheint wahrscheinlicher?

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