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Credit: Captain Paul Watson Foundation

Der Fall Paul Watson

Der kanadische Tierschützer und Sea Shepherd-Gründer Paul Watson wurde im grönländischen Nuuk verhaftet – auf Wunsch Japans. In Kopenhagen entscheidet nun das Justizministerium über die Auslieferung, Watson drohen in Japan bis zu 15 Jahre Haft. Über Walfang, Umweltschutz und internationales (Un)Recht.

Captain Paul Watson ist für viele Menschen nichts Anderes als ein Held des Umweltschutzes. Seit über 50 Jahren bekämpft der gebürtige Kanadier die Ausbeutung unseres Planeten durch den Menschen, besonders macht er als Wal- und Robbenschützer auf sich aufmerksam. Watson gehörte Anfang der 1970er Jahre zur Gründungsinitiative um Greenpeace. 1977, nach seinem Ausscheiden bei der Umweltschutzorganisation, gründete er Sea Shepherd und widmete einen Großteil seiner Arbeit dem Schutz von Meeressäugern und dem direkten Kampf gegen den Walfang. 2023 verließ Watson Sea Shepherd und gründete die Captain Paul Watson Foundation.
Watson wurde wiederholt von großen Zeitschriften und Magazinen als eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Umweltschutzes bezeichnet, so ist er gemeinsam mit Greenpeace-Gründer Robert Hunter laut Time Magazine einer der „Helden des zwanzigsten Jahrhunderts„.

Es gibt Stimmen, die sehen Watsons Aktivismus kritisch, seine Aktionen zu radikal – etwa wenn er mit seinen Schiffen wiederholt Walfangschiffe rammt und dabei sich, seine Crew und die seiner Gegner potenziell in Gefahr bringt. Doch Watson hat den Schutz unseres Planeten stets über das Wohl Einzelner gestellt, hat uns aus unserer Komfortzone herausgerissen und mit drastischen, aber notwendigen Methoden dargelegt, wie es um uns als Menschheit im Zusammenleben mit der Natur oft bestellt ist. Durch seine Aktionen haben Watson und seine Crews nachweislich Hunderten Tieren – Walen, Haien, Robben und anderen Meeresbewohnern – das Leben gerettet. Diese Lebewesen konnten ihre Funktionen im Öko-System Ozean weiter ausführen, Nahrungsnetze stabil halten, ihre Gene weitergeben, natürliche Populationskontrolle ausüben und insgesamt das fragile Konstrukt Erde, das wir Menschen durch unsere Eingriffe immer instabiler machen, wenigstens teilweise im Gleichgewicht halten. Diese Lebewesen, ob sie sich dessen nun bewusst sind oder nicht, leben dort draußen auch für uns: Sie sind beteiligt an einem komplexen Mechanismus, der beim Mikroplankton anfängt und beim Blauwal aufhört, der CO² speichert und Sauerstoff produziert. Wir brauchen diese Lebewesen, jedes einzelne von ihnen – vor allem auch deshalb, damit uns klimatechnisch hier nicht in ein paar Jahrzehnten alle Lichter ausgehen.

Vor diesem Hintergrund hat Paul Watson nichts Anderes getan als als radikalen Artenschutz für uns alle betrieben. Er schützt damit auch uns.

Genau dieser Paul Watson sitzt jetzt seit Ende Juli in einem grönländischen Gefängnis in der Hauptstadt Nuuk ein, nachdem er mit seinem Schiff, der „John Paul Dejoria II“ im Hafen vor Anker ging. Die Untersuchungshaft hatte die dortige Behörde veranlasst, in Absprache mit der dänischen Obrigkeit, die immer noch die politische Hoheit im weitestgehend autonomen Grönland innehat. Doch Dänemark hat gar kein eigenes Interesse daran, Paul Watson vor ein Gericht und Hinter Gitter zu bringen – sondern der japanische Staat. Der wirft Watson öko-terroristische Aktionen gegen seine Walfangflotten und deren Crews vor – so etwa Einbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung.
Warum Japan außerhalb seiner Landesgrenzen Einfluss auf dänisch-grönländische Polizeiaktionen nehmen kann, hat einen einfachen Hintergrund: das Prinzip Red Notice von Interpol. Demnach kann ein Interpol-Mitgliedsland weltweit Ermittlungen und Festnahmen von national gesuchten Straftäter*innen beantragen beziehungsweise bei einem anderen Mitgliedsstaat die Festnahme ersuchen, wenn sich die entsprechende Person dort aufhält. Interpol ist kein UN-Gremium und wurde in seiner gesamten Geschichte von keinem Parlament dieser Welt je ratifiziert. Dennoch halten sich die Mitgliedsstaaten im Großen und Ganzen an die Statuten der weltweit größten Polizeiorganisation. Dänemark und Japan sind beide Interpol-Mitglied, deshalb war die japanische Suche nach Watson den dänischen und damit auch den grönländischen Behörden bekannt. 

Laut Interpol darf eine Red Notice unter anderem nicht politisch motiviert sein, sondern soll sich ausschließlich auf geltendes Recht berufen. Wer sich ein wenig mit der Geschichte von Paul Watson und der Walfangindustrie beschäftigt, der wird schnell sehen, dass hier eindeutig politische Motive im Spiel sind, innen- wie außenpolitische. Sie haben, besonders im Fall von Japan, viel mit Tradition und kulturellem Isolationismus zu tun.
Die Ereignisse gehen zurück bis ins Jahr 2008, als Watson, damals noch für Sea Shepherd leitend aktiv, nach eigener Aussage von einem Beamten der japanischen Küstenwache angeschossen wurde. Eine von ihm getragene Kevlar-Weste soll das Projektil abgehalten haben. Watson und seine Crew hatten im Südpolarmeer japanische Walfänger abgefangen und mit Buttersäure-Stinkbomben beworfen. Die japanischen Behörden bestritten Watsons Darstellung, eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls erfolgte nicht. 2012/13 ging dann der Red Notice-Antrag Japans ein, da nach Angaben der japanischen Küstenwache Watson und Sea Shepherd Sabotage-Akte an japanischen Walfangschiffen während der Fang-Saison 2009/10 verübt hätten. Andere Länder wie Costa Rica und Island schlossen sich der Red Notice an oder äußerten anderweitig ihre Unterstützung. Während im Laufe der Jahre Costa Rica die Red Notice mangels Beweisen wieder zurückzog, blieb die japanische bestehen. Denn wer den Japanern Walfang verbieten will oder sie wie auch immer daran hindert, begeht aus ihrer Sicht ein kulturelles Verbrechen. Oder?
Walfang hat eine lange Tradition in Japan, die bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen soll. Tatsächlich ist der kommerzielle Walfang in Japan aber keine 150 Jahre alt. Auch die Mär, dass Japaner regelmäßig Walfleisch äßen, ist schlicht und ergreifend falsch. Tatsächlich essen Japaner seit Jahrzehnten nur noch sehr selten Walfleisch, dazu gibt es in der Bevölkerung kaum nennenswerte Kenntnis über Art und Umfang der japanischen Walfang-Industrie. Weder für wissenschaftliche Erkenntnisse noch für den Verzehr spielen Wale noch eine besondere Rolle in Japan. Tatsächlich wird er wohl sogar staatlich mit Steuergeldern subventioniert. Nach Statistiken des japanischen Greenpeace-Chefs Junichi Sato von 2013 ist der Walfang in Japan neben der ethischen Kontroverse auch noch ein Verlustgeschäft. Es geht also allein um das Aufrechterhalten einer Tradition, die im Inland zwar kaum noch von jemand wahrgenommen wird, deren Aufgabe aber dem Zugeständnis einer Niederlage gegenüber internationaler Kritik gleichkäme. Die japanische Regierung und Wirtschaft fürchtet vermutlich schlicht um ihr Gesicht. Da sind Menschen wie Paul Watson, die zudem auch noch als Ausländer mit dem Finger auf die japanische Walfang-Industrie zeigen, ein besonderer Dorn im Auge. Ähnlich ist Watsons Standing übrigens auch in Island und den Färöern, beides Länder mit einer langen „Tradition“, was Walfang anbelangt. Von einer nicht politisch motivierten Red Notice zu sprechen, würde hier also komplett am eigentlichen Problem vorbeizielen.

Was wird jetzt passieren? Zunächst sitzt Watson noch bis zum 5. September diesen Jahres in Nuuk in Untersuchungshaft. Derweil muss das dänische Justizministerium darüber entscheiden, ob das Land der Red Notice-Anfrage Japans folgt oder nicht. Neu ist die Situation für Watson nicht. Er saß bereits 2012 in Deutschland aufgrund einer ähnlichen Anfrage Costa Ricas in Frankfurt am Main ein. Watson hatte in karibischen Gewässern Fischer am sogenannten Shark-Finning hindern wollen, also dem Abschneiden der Rückenflossen bei gefangenen Haien, die für Suppengerichte verwendet werden. Der verstümmelte Hai wird dann wiederum zurück ins Wasser geworfen, wo er elendig verendet.

Im jetzigen Fall gibt es aber einige entscheidende Unterschiede. Erstens kam Watson 2012 nach kurzer Zeit wieder frei. Zweitens sind deutsche Gefängnisse nicht japanische: Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren das japanische Haftsystem, in dem Verdächtigte teils extrem lange in Polizeirevieren in Untersuchungshaft sitzen, wo die ermittelnden Beamten oft unter Folterbedingungen aus ihnen Geständnisse herauszupressen versuchen. Des Weiteren haben Häftlinge in Japan sehr wenig Kontakt zu Anwälten und Angehörigen. Paul Watson ist 73. Wenn er von einem japanischen Gericht zur Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt würde, könnte es gut sein, dass er im Gefängnis stirbt, eventuell sieht er seine Familie und Angehörigen nie wieder. Wenn er denn die Untersuchungshaft überhaupt übersteht. Die Verurteilungsrate in Japan ist laut Amnesty International bei über 90 Prozent. Wir können also nur hoffen, dass die dänische Justiz sich gegen eine Auslieferung entscheidet, weil sie die politischen Motive dahinter erkennt – und auch die Gefahr für Watsons Leben. Bis dahin kann auf der Homepage der Paul Watson Foundation eine Petition unterschrieben werden, die seine Freilassung fordert.

Wenn wir als Menschheit nicht endlich damit aufhören, aufgrund irgendwie gearteter rechtsstaatlicher Prinzipien diejenigen einzusperren, die uns dabei helfen wollen, auf diesem Planeten zu überleben, haben wir es vermutlich auch gar nicht verdient, gerettet zu werden. Geschweige denn, zu überleben.

Update vom 5. September 2024: Die grönländische Justiz hat die Untersuchungshaft für Paul Watson nach seiner zweiten Anhörung um weitere vier Wochen verlängert. Watson sitzt nun noch bis zum 2. Oktober in Haft, während in Dänemark weiterhin darüber entschieden werden muss, ob er ausgeliefert wird.

Andreas Klöpping

  • August 21, 2024

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