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By Chessrat - Own work based on: Greenland (orthographic projection).svg by Connormah, CC BY-SA 3.0, Link

Wie der Klimawandel die Geostrategie beeinflusst

Die aktuellen militärischen Großkonflikte der Welt zwingen uns strategische Logiken auf, die an Kaltkriegs-Szenarien erinnern. Mittlerweile kommen die neo-imperialistischen Gelüste autoritärer Machthaber nicht nur aus dem Osten. Doch ein weiterer, global aktiver Spieler mischt die Blätter der Konfliktparteien seit Jahren gehörig durch: Denn der Klimawandel bietet ganz neue Optionen, Einflusszonen auszuweiten, militärisch und wirtschaftlich neu zu denken und zu handeln. Ein geostrategischer Exkurs in den hohen Norden.

Norwegen hat eine lange Geschichte mit U-Booten: Beginnend mit Angriffen der deutschen Kriegsmarine während des Zweiten Weltkriegs wurden auch in der Zeit des Kalten Kriegs militärische Unterwasserfahrzeuge an den Küsten gesichtet, kollidierten sowjetische und amerikanische U-Boote oder gerieten in Brand. 1984 ging einem Fischer vor Karmøy in Südnorwegen gar ein sowjetisches U-Boot ins Netz, 2024 zappelte ein amerikanisches Atom-U-Boot im Netz von Heilbuttfischern im Norden vor Sommarøy. Kurzum: Vor den langen Küsten des nordischen Landes spielt sich seit Jahrzehnten Geopolitik ab, weil militärische Mächte dort einen geografischen Engpass befuhren.

Was hat das Ganze nun mit dem Thema Klimawandel und Geostrategie im Jahr 2025 zu tun? Zum weiteren Verständnis muss dies zuerst in einen historischen Kontext gebracht werden: Die norwegischen Küsten sind die letzte Landmasse vor einer gedachten Linie, die im NATO-Sprech GIUK-Lücke bezeichnet wird: Damit wird das Seegebiet von Grönland (G) über Island (I) nach Großbritannien (UK) bezeichnet; diese Linie trennt quasi den Atlantik von der Nordsee und dem weiter nördlich liegenden Nordpolarmeer. Während des Kalten Krieges befürchtete die NATO, dass die Seestreitkräfte der Sowjetunion im Falle eine Krieges die Versorgungslinien der USA, Kanadas und Großbritanniens im Nordatlantik angreifen würden, sowie eigene Flotten in den Atlantik einbringen würden und damit Nordamerika von den europäischen Partnern abschneiden würden. Besonderes Augenmerk lag auch auf sowjetischen Atom-U-Booten, die bei einem Durchbruch ihre Militäroperationen in den Atlantikraum hätten ausweiten können – unter anderem deswegen ist der Meeresboden des Nordatlantik übersät mit Tiefseesensorik, um die Bewegung solcher Unterwasserfahrzeuge frühzeitig zu erkennen. Die GIUK-Linie stellt(e) also eine geographisch bedingte Verteidigungslinie zwischen den zwei großen Landmassen des Britischen Archipels und Grönlands dar – Island in der groben Mitte dieser Linie war eine weitere wichtige Station für die NATO-Seestreitkräfte, konnten hier potenziell Ressourcen aufgefüllt werden und von Luftwaffenstützpunkten auch die Luftraumüberwachung erfolgen.
Nachdem die GIUK-Lücke seit dem Ende des Kalten Krieges mehr und mehr an Bedeutung verlor – unter anderem, weil technologische Fortschritte Seestreitkräfte für den Einsatz von Mittel- und Langstreckenraketen weitestgehend obsolet machen – ist sie in der Gegenwart wieder vermehrt in den Fokus von Militärs und Geostrategen gerückt.
Denn der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat das militärische Gefüge in Europa durcheinandergebracht. Während die NATO durch den Druck Russlands auf seine Anrainerstaaten auf der einen Seite wieder an Bedeutung gewinnt, verliert sie durch die Forderung der USA nach höheren europäischen Militäretats kombiniert mit Truppenabzugsdrohung faktisch an Geschlossenheit und damit einen Teil ihres Abschreckungspotenzials. Russische U-Boote in europäischen Hoheitsgewässern werden wieder Teil der Provokationsstrategie, Schattenflotten und Tiefseekabel-Sabotage folgen auf dem Fuße.

Nun kommt der Klimawandel als weiterer Faktor zum Tragen: Denn Nordatlantik und Nordpolarmeer werden nicht mehr allein für militärische Strategien relevant, sondern auch für wirtschaftliche und expansive Pläne vieler Staaten. Das Abschmelzen des arktischen Eisschildes hat nicht nur massive Auswirkungen auf die klimatischen Bedingung auf der Erde, sondern legt auch See- und Landgebiete frei, die vorher nahezu unzugänglich waren. Durch diese eisfreieren Seegebiete werden neue Schifffahrtswege frei, die den Welthandel beeinflussen werden, weil die neuen Routen großteils durch internationale Gewässer führen und von allen Staaten befahren werden können.
Besonders werden aber auch Vorstöße in ressourcenreiche Gebiete ermöglicht, über deren Ansprüche jahrzehntelang aufgrund logistischer Unmöglichkeit nur in zweiter Instanz diskutiert wurde. Auch Länder, die im Prinzip nichts mit der Arktis zu tun haben, werden nun hellhörig, wenn es um Gas, Öl, Seltene Erden oder Fischerei in der Nordpolarregion geht. China etwa hat sich jüngst als „arktisnaher Staat“ definiert und erhebt damit Ansprüche auf wirtschaftliche Gestaltung. Russland hingegen hat gleich mit zweifelhaften wissenschaftlichen Begründungen große Teile der Arktis für sich in Anspruch genommen, da die Region ja auf dem eurasischen Festlandsockel läge. Ähnlich argumentieren übrigens in Teilen auch Kanada oder Dänemark. Es liegt also Streit in der Luft, wenn es um die zukünftig freiliegenden Rohstoffvorkommen und Seewege geht. Wir sprechen hier übrigens nicht von abstrakten Szenarien der ferneren Zukunft, sondern von Abschmelz- und daraus resultierenden weiteren Aufheizprozessen, die in Simulationen die ersten eisfreien Sommer in der Arktisregion innerhalb der nächsten 10-20 Jahre möglich erscheinen lassen. Und für die obigen Szenarien ist eine eisfreie Arktis nicht einmal nötig: Es reicht ein zunehmend ‚eisärmeres‘ Nordpolarmeer völlig aus. China und Russland bauen bereits jetzt an leistungsstarken Eisbrechern, die die Arktisregionen befahrbarer machen sollen. Russlands Flaggschiff dieser neuen Eisbrecherflotte, die „Ivan Papanin“, ist im Übrigen bewaffnet – was ausreichend Aufschluss über die Zukunft der Geostrategie im Nordpolarmeer geben sollte.

Hier platzt nun Donald Trump mit seinen imperialistischen Vorstellungen in die Runde, indem er Grönland an die USA angliedern möchte – notfalls mit militärischer Gewalt. Der US-Präsident spricht hier öffentlich vom Angriff auf einen NATO-Partner – Grönland ist Teil des dänischen Königreichs. Noch. Denn auch aus Grönland selbst gibt es Überlegungen, die Trump in die Karten spielen dürften. Teile der neu gewählten Regierung Grönlands pochen auf eine baldige Unabhängigkeit des Landes von Dänemark; man nimmt dabei anscheinend auch eine eventuelle Angliederung an die USA in Kauf. Unabhängigkeit sieht anders aus. Vielleicht sehen sich die grönländischen Patrioten aber auch weitsichtig und versprechen sich von einer Schutzmacht USA mehr Sicherheit gegenüber Staaten wie China oder Russland als von seiner alten, kleinen Kolonialmacht.
Es geht bei solchen geostrategischen Muskelspielen, wie Trump, Putin und Co. sie (oft auf dem Rücken der lokalen Bevölkerungsgruppen) betreiben, neben dem direkteren Zugriff auf Ressourcen auch um die Kontrolle der neuen Seehandelsrouten – ähnlich wie bei Trumps Vorstellungen über den Panama-Kanal soll hier unter anderem chinesischer Einfluss zurückgedrängt werden. Aber auch militärisch malt sich die USA mit Grönland eine bessere Kontrolle über mögliche russische Raketenangriffe aus. Die oben erwähnte GIUK-Linie wird damit in ihrer Bedeutung ebenfalls diversifiziert, sie transformiert ihre Bedeutung von einer geostrategisch-militärischen zu einer universelleren geopolitisch-wirtschaftlichen.
Die Interessen vieler Parteien sind also breit gestreut, seien es Anrainerstaaten oder fernere Interessenten an einer Vormachtstellung im Nordpolarmeer. Gremien wie der Arktische Rat, die dem Interessenausgleich der arktischer Anrainerstaaten und den regionalen indigenen Völkern dienten, sind durch den Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt und werden hier nur bedingt eingreifen können.

Die geopolitischen Konsequenzen in der arktischen Region kommen in der öffentlichen Debatte über die Folgen des Klimawandels oft zu kurz. Viel zu oft werden eher abstrakt auf dem Rücken von zukünftigen Klimaflüchtlingen des Globalen Südens innenpolitische Debatten um Migration geführt, die in ihrem Kern oft rassistisch und elitär motiviert sind – und in Deutschland besonders von der AfD vorangetrieben werden. Die Themen Krieg, Migration, Wirtschaftswachstum und Energie haben den Klimawandel ohnehin nahezu komplett aus der Tagespolitik verdrängt; während des Wahlkampfes zum Bundestag 2025 spielte er eine verschwindend geringe Rolle. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU findet sich der Begriff ebenfalls kaum.
Anhand der obigen Beispiele sollte veranschaulicht werden, welch immensen Einfluss der Klimawandel auf die politische Gestaltung der Welt abseits der gängigen Themen haben wird. Eventuell erleben wir im hohen Norden sogar den Beginn weiterer destabilisierender Konfliktherde, die das ohnehin brüchige Gefüge der aktuellen Sicherheitspolitik komplett sprengen könnten. Wenn Supermächte wie die USA und China, unter kräftiger Mithilfe Russlands, im Nordpolarmeer anfangen zu zündeln, kann es sehr schnell sehr sehr hässlich für den Rest der Welt werden. Und dabei handelt es sich nur um eine von vielen Regionen, deren geostrategische Bedeutung im Zuge des Klimawandels eine potenziell sicherheitsgefährdende Bedeutung gewinnen könnte.

Es zeigt uns eins: Wir können die Herausforderungen unserer Zeit nicht isoliert voneinander betrachten.
Klimaschutz ist Wirtschaftspolitik.
Klimaschutz ist Energiepolitik.
Klimaschutz ist auch Migrationspolitik.
Und Klimaschutz ist Sicherheitspolitik.

Und während wir uns in Kriegen und Wirtschaftskrisen verrennen, wartet das Klima nicht darauf, dass wir Menschen unsere hausgemachten Probleme in den Griff kriegen.

Weitere Links zum Thema:

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Andreas Klöpping

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