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Quelle: freepik / KI-generiert

Verlernt mal die Demokratie

Die US-Regierung verschlankt das Bildungsministerium – angeblich, um Geld zu sparen. Dahinter stecken aber auch ganz praktische Gründe: Ungebildete wissen weniger über ihre Rechte in einer Demokratie.

US-Präsident Trump hat seine Ministerin Linda McMahon angewiesen, das Bildungsministerium abzuwickeln. Mal wieder per Dekret, denn eigentlich benötigt die Regierung dazu die Zustimmung des Kongresses. Bereits die Hälfte der circa 4000 Mitarbeitenden sind bereits entlassen worden. Trump argumentiert, die Aufgaben, die das Ministerium bislang bearbeitete, könnten auch von anderen Behörden, besonders auf Bundesstaaten-Ebene, gehandhabt werden.

Das US-Bildungsministerium dient unter anderem dem Zweck, zu verteilende Fördergelder so unter den Staaten aufzusplitten, dass besonders jene Gegenden profitieren, in denen Infrastrukturschwäche und Demographie Bildungsungerechtigkeit hervorbringen. Die übergeordnete Behörde hat also ein Auge auf Stipendien, Fördertöpfe und andere Arten von Zuwendungen, um besonders jenen Menschen einen gleichberechtigenden Zugang zu Bildung zu ermöglichen, die andererseits komplett abgehängt wären. Gerade in jenen Gegenden, die nicht von einer weißen, einigermaßen wohlhabenden Mittelschicht durchsetzt sind, sind die finanziellen Lücken lokaler Schulbehörden gravierend. Generell sind die höheren Bildungswege in den USA eher jenen vorbehalten, die sich die teure Ausbildung an einer Universität auch leisten können. Statistisch gesehen sind hier POCs (persons of color) immer noch stark im Nachteil – besonders Hispanics und Black Americans erhalten im Vergleich zu Weißen oder Asiaten wesentlich seltener einen College-Abschluss oder den einer Universität. Das liegt am Geld und das liegt an den Wohnorten, in denen diese Gruppen, ebenfalls meist aus finanziellen Gründen, leben. Die dortigen Schulen haben nicht genügend Angebote, es fehlen Lehrer, aber es fehlen auch ganz klassische roles models: Vorbilder, an den sich die Schüler*innen orientieren können. Nur ein Fünftel aller Lehrer in den USA zählen zu POCs, während in den Klassenräumen aber über die Hälfte an Nicht-Weißen sitzt. Es wird ein Teufelskreis aus unzugänglicher Bildung, geringerer Motivation durch mangelnde Vorbilder und dem Unvermögen, aus eigener finanzieller Kraft höhere Bildungsabschlüsse zu erhalten. Das Dilemma der mangelnden Bildung durch Infrastrukturschwäche trifft aber auch die unteren weißen Gesellschaftsschichten, den abwertig genannten white trash, etwa im Rust Belt um die Großen Seen, dem ehemaligen industriellen Herz der USA oder in vielen Südstaaten des Landes. Besonders diese Abgehängten haben bei der US-Wahl 2024 vornehmlich Donald Trump ihre Stimme gegeben.

Dieses Untergraben bildungspolitischer Wirkung wird im Kern das sein, auf das Trump eigentlich abzielt. In vielen Statements haben sich Trump oder auch seine Regierungssprecherin Karoline Leavitt gegen die Arbeit des Bildungsministeriums ausgesprochen: Dass dort lediglich Steuergelder verschwendet und linke Ideologien unter die Schulen gebracht würden. Wenn man bedenkt, dass eines der zentralen Themen an vielen amerikanischen Middle Schools Kooperation und Teamgeist ist, kommt man zu dem Schluss, dass hinter einem Abbau von Bildungsangebot System steckt. Denn wer Kooperation, Kommunikation, gemeinsame Problemlösungs-Strategien, gemeinsame Erfolge und Niederlagen nicht erlebt oder vermittelt bekommt, der erlernt ein kulturelles Grundprinzip demokratischen Denkens und Handelns nichts. Am Ende könnte es Trump genau darum gehen: Wer die eigenen Rechte nicht kennt und in der eigenen Umgebung ohnehin keine Chancen sieht, kann auch nicht mitwirken am politischen Diskurs, kann nicht aufbegehren und schluckt am Ende einfach das, was aus den Regierungszentren ex cathedra verkündet wird. Ein weiteres Indiz, dass der trumpsche Autoritarismus weiter um sich greift.

An dieser Stelle ein Exkurs in zwei Richtungen, verbunden mit zwei Begriffen: Info-Rauschen und Homo sovieticus.
Steve Bannon, der lange Zeit an Donald Trumps Seite der Chefstratege der Make America Great Again-Kampagne war, prägte einst den Satz „Flood the zone with shit“, eine Umschreibung dessen, was auch als Info-Rauschen bezeichnet wird: Das ständige Produzieren von Schlagzeilen, an denen sich Medien abarbeiten sollen, denn die Medien sind in dieser Weltsicht der Feind. Die hohe Frequenz an medialen Berichten soll eine absolute Überlastung zur Folge haben. Im Gegensatz zur klassischen Propaganda soll Info-Rauschen die Medienkonsumenten also eher verwirren statt überzeugen. Bürger*innen können dazu verleitet, misstrauischer oder leichtgläubiger, gleichgültiger oder aktivistischer zugleich zu werden, im Grunde eben komplett überfordert durch das tägliche Bombardement medialer Inhalte, seien es Nachrichten zu immer neuen Dekreten Trumps, Social-Media-Posts, Kritik an sogenannten Leitmedien oder populistischer Schlagzeilen. Das kann in Resignation münden, aber auch in explosivem Aktionismus. Die genauen Auswirkungen des Info-Rauschens werden derzeit noch erforscht, einig ist man sich aber jetzt schon: Zur Herausbildung eines differenzierten Informationshaushaltes, der in einer Demokratie lebenswichtig ist, führt dieses Mit-Scheiße-Fluten nicht.
Womit wir beim zweiten Begriff angekommen wären: Dem Homo sovieticus, der Persönlichkeitsumschreibung des Durchschnittsbürgers in der Sowjetunion. Unter anderem wurden diesem Menschen’typ‘ Charakterzüge wie gleichgültig, verantwortungsscheu, diebisch, aber auch chauvinistisch und alkoholsüchtig zugeschrieben. Diese verkürzte Darstellung eines ausgesprochen komplexen Begriffes – er versucht immerhin, menschliche Eigenarten mit knapp 70 Jahren politischem System zu verbinden – mag nicht besonders wirken, sie verbindet aber mit zwei Arten von Bürger*innen viele Gemeinsamkeiten, die gerade über unseren Planeten wandeln: Den durchschnittlichen weißen russischen Menschen in Moskau, und mit unseren gesellschaftlich abgehängten, bildungsfernen und armen Amerikaner*innen. Beide Gruppen leben aktuell in einem politischen System, dass auf Autoritarismus setzt (Putin in Russland) oder aktuell den Weg bereitet, dorthin zu gelangen (Trump in den USA). In Russland ist ein staatlich gelenktes Fernsehen etabliert: Es kontrolliert die öffentliche Meinungsbildung, trifft aber auf ein Volk, das eher gleichgültig als gleichgeschaltet wirkt. Der Homo sovieticus wirkt bis in die heutige Zeit nach. Die politische Gleichgültigkeit eines nicht unerheblichen Teils der russischen Bevölkerung führt dazu, das Putin relativ fest im Sattel sitzt und ihm sein Angriffskrieg gegen die Ukraine bislang auch noch weitestgehend verziehen wird. Allen Unkenrufen zum Trotz geht es der russischen Wirtschaft noch recht gut, und solange die weiße Kernbevölkerung Russlands nicht übermäßig in den Schützengräben verfeuert wird – sondern Tataren, Awaren oder eben Nordkoreaner – wird das auch so bleiben. Die Menschen werden hier nicht durch Info-Rauschen bombardiert, sondern durch ihre jahrzehntelange Erfahrung mit der relativen Nutzlosigkeit eines politischen Willens gerade unter Putin wieder in alte Verhaltensmuster gezwängt.
Auf eine ähnliche Art Verhalten zielt das trumpsche Handeln ab. Das Info-Rauschen ermüdet und macht gleichgültig. Eine mangelhafte Bildung fördert dieses Verhalten, weil an Schulen eben auch Medienkompetenz und ein kritischer Umgang mit Medien, Fake News, Demagogie und Populismus vermittelt werden kann. Bleibt dies aus, kann die Strategie von Steve Bannon weiter verfangen.

Es steht in der Tat nicht sonderlich gut um die Demokratie. Der Angriff aus dem Weißen Haus auf Institutionen, Behörden und Gerichte ist konzertiert und von langer Hand geplant. Das Project 2025, die geplante Umgestaltung der Exekutive der US-Bundesregierung, dessen Bedeutung Trump im Wahlkampf noch leugnete, greift aktuell in vollen Zügen. Und dass besonders der Bildung ein anscheinend so wichtiger Faktor bei der Umsetzung dieses Projektes zugemessen wird, zeigt, wie nachhaltig Trump und sein Team versuchen, die US-Gesellschaft umzubauen. Kommt nun der Homo americanus als Äquivalent zum östlichen Gesellschaftstypus, mit im Grunde gleicher Prägung? Einem ungebildeten, macht- und lustlosen sowie obrigkeitshörigen Menschen in einem (hier) kapitalistischen Autoritarismus?

In dieser Woche hat der noch bestehende alte deutsche Bundestag ein gigantisches Finanzpaket mit einer gelockerten Schuldenbremse erlassen. Die Verfassung wurde geändert, viele Zusagen getroffen, viel Kritik eingesteckt. Die geopolitischen Realitäten sind in dieses Finanzpaket eingeflossen, um die Wehrhaftigkeit eines der wirtschaftlich wichtigsten Länder der Europäischen Union zu sichern. Auch das Klima wurde, nach langem Ringen und Dank der Hartnäckigkeit der Grünen, in einem zusätzlichen Sondervermögen von 500 Milliarden Euro berücksichtigt. Ebenso soll davon die marode Infrastruktur saniert werden, und auch die Bundesländer erhalten hier Zuwendungen. 
Was nicht explizit erwähnt wurde, war die Bildung.
Jetzt sollte davon abgesehen werden, Merz, Esken oder Habeck eine ähnliche Agenda wie der US-Regierung zu unterstellen, aber dennoch zeigt sich hier: In der Krise wird oft übersehen, dass den vielmals herbeizitierten Generationenvertrag mehr ausmacht als zukünftige Schulden oder Rentenniveaus. Er sollte ein Versprechen an eine Stärkung und Sicherung eines sich immer wieder neu auszuhandelnden gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts sein.
An das Analysieren, Diskutieren und das kooperative Erarbeiten von Problemlösungsstrategien.
In einer buchstäblich gebildeten Demokratie.
Das sollten wir nicht verlernen.

Andreas Klöpping

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Quelle: Thomas Köhler / photothek

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Helmut Klöpping 

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