Wenn dieser Artikel jetzt so endet, hat er keinerlei Mehrwert produziert, außer – in Anlehnung an obiges Viren-Thema – Multiplikator für ansteckend miese Laune zu sein. Naheliegend wäre es. Und gesellschaftlich auch absolut mehrheitsfähig, besonders im pessimistischen Deutschland, wo ohnehin alles immer etwas düsterer, unsicherer und grundlegend einfach beschissener bewertet wird als bei einigen unserer Nachbarn. Bei den Dänen zum Beispiel. Natürlich ist etwas wie Glück zutiefst schwammig bei einer objektiven Messung, man kann mit nahezu beliebig vielen Ansätzen wie Wohlstand, Gesundheit, persönlicher Sicherheit, Gerechtigkeitsempfinden und noch aberwitzig vielen anderen Faktoren versuchen, dem Glück auf die Schliche zu kommen. Dennoch werden bei den Erhebungen, auf die sich verschiedenste Disziplinen (Sozialwissenschaft, Ökonomie, Psychologie u.a.) geeinigt haben, gewisse Länder immer im oberen Ranking platziert. Hauptsächlich skandinavische. Aber auch Israel taucht beispielsweise beim World Happiness Report 2023 auf Platz 4 auf. Deutschland ist ’nur‘ auf Rang 16, aber immerhin noch vor Tschechien (18), Frankreich (21) oder Polen (39). Länder des Globalen Südens sind hier natürlich kategorisch in den unteren Rängen zu finden. Solche Listen sind also auch immer zutiefst eingefärbt durch diejenigen, die sie innerhalb ihrer eigenen sozialen Blase erstellen mit denjenigen, die innerhalb ihrer eigenen Blase auf Befragungen für solche Listen antworten. Deutschland würde dann ja doch nicht so schlecht wie eben postuliert abschneiden, nur eben im Vergleich mit direkten Nachbarn – wenn man versteht, dass auch das nur Rosinenpicken ist, denn Belgien und genanntes Polen, aber auch Frankreich schneiden ja schlechter ab im Ranking.
Was soll dieser Ausflug in Statistiken über Glück und Ländervergleiche? Er soll zeigen, dass unsere Wahrnehmung der Welt zutiefst beeinflusst durch unsere persönliche Sicht ist. Wir sehen die Welt eben nicht ausschließlich so, wie sie ist – sondern wir sehen sie besonders auch so, wie wir sind. Wenn wir als Einzelpersonen in Deutschland jeden Morgen aufwachten und uns bewusst machten, wie sicher, satt und reich wir im Vergleich mit einem Großteil der Welt sind, dürften wir im Prinzip nicht mehr aus dem Lachen herauskommen. Da wir aber gesellschaftlich-systematisch beigebracht bekommen haben, uns immer nur mit jenen ‚über‘ uns zu messen – Reicheren, Satteren, Freieren – dann kommt schnell die Ernüchterung. Alltags-Stress durch Job, kleine Krankheiten, verstopfte Straßen, hektische Mitbürger, Schlangen an der Kasse, Hiobs-Botschaften im Fernsehen, Weltuntergangs-Artikel auf thebigwe.info – schon ist der Weg zum Doom-Scrolling nicht mehr weit.
Es gibt einen Begriff in der Psychologie, der heißt Selbstwirksamkeit: Er beschreibt den (potenziell positiven) emotionalen Wirkungsgrad eigenen Handelns innerhalb der eigenen Möglichkeiten. Soll heißen, wenn das Thema Klima-Katastrophe zu groß ist, bricht man es herunter auf einen Eigen-Beitrag, der auch leistbar ist. Etwa den Rasen vor der Tür oder im Park mit Wildblumensamen zu bestreuen, damit ein größerer Blütenreichtum auf der Wiese entstehen kann: Sieht schön aus, ist super für Bestäuber-Insekten und damit für die Biodiversität. Das wird die Erde nicht retten, und vielleicht werden die Pflanzen vom nächsten Gartendienst einfach wieder umgemäht. Aber vielleicht werden damit in der direkten Umgebung ein paar Lebewesen gerettet. Gibt doch ein gutes Gefühl.
Oder Briefe an Lokal- und Landes-Politiker*innen oder Bundestags-Abgeordnete schreiben. Zeigen, was man sich wünscht, welche Sorgen vorhanden sind. Den Rechten eben nicht dieses Feld überlassen. Klingt seltsam, hat aber einen hohen Grad an Selbstwirksamkeit und ist in der repräsentativen Demokratie neben Wahlen oder eigenem Parteieintritt eine Möglichkeit, direkten Einfluss zu nehmen.
Die Publizistin und bildungspolitische Aktivistin Marina Weisband hat das während der Corona-Pandemie wunderbar in einem kleinen Video-Beitrag veranschaulicht: