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Quelle: TheBigWe

Und nun?

Die USA rücken nach Rechtsaußen, der Ukraine-Krieg eskaliert und das israelische Militär begeht wohl genozidale Kriegsverbrechen am palästinensischen Volk. Europa zerreißt an diesen Krisen, über allem schwebt die Klimakatastrophe. Die Demokratie ist schwerkrank. Schwarzmalerei oder angekommen in der Realität?

Doom-Scrolling ist vermutlich im Trend wie lange nicht: Der Begriff bezeichnet das fast suchtartige Lesen von schlechten Nachrichten über mobile Medienportale. Tatsächlich generieren Nachrichten über Krieg, Hunger und Umweltzerstörung mehr Klicks als Nachrichten, die Positives aus der Welt auf unsere Bildschirme bringen.
Das mag einerseits mit der Psychologie hinter dem Unfall-Paradoxon oder Katastrophen-Voyeurismus liegen: Wir Menschen nähern uns (physisch oder medial) oft dem Schrecklichen, um uns selbst rückzuversichern, das wir nicht betroffen sind – es hält uns wach und bewusst für unsere Umgebung. Diese Laien-Definition mag nicht allen wissenschaftlichen Kriterien standhalten, aber sie veranschaulicht, wie sich viele von uns fühlen, wenn wir Zeugen, aber nicht Betroffene von potenziell traumatisierenden und/oder lebensgefährlichen Ereignissen werden.
Andererseits bedingt obiger Faktor aber auch die Berichterstattung, mit der öffentlich zugängliche Medien wirtschaften. Es wird ein Zirkelschluss aus der medialen Darbietung von Krieg und Elend, dem Konsum dieser Darbietung und der daraus resultierenden Ökonomisierung erneuter Darbietung von ähnlich gearteten Medieninhalten. Der Medienmensch ist eben auf der produzierenden wie der konsumierenden Seite auch ein Gewohnheitstier. Das verstärkt sich umso mehr, je näher Kriege (aktuell Ukraine), je dramatischer Elend (aktuell Gaza), je einschneidender politische Umwälzungen (aktuell Trump-Wiederwahl oder das Ampel-Ende) oder bedrohlicher die Zerstörung unserer Lebensgrundlage wird (generell durch die Klima-Katastrophe).
Politisch lassen sich hier im Übrigen kaum Unterschiede in der medialen Architektur feststellen, die Inhalte beim Doom-Scrolling sind nur unterschiedlich: Seien es identitätspolitische Debatten (bspw. bei Aufmerksamkeit für die Probleme von queeren Menschen auf der einen, das Anklagen eines „Transgender-Wahns“ und Cancel Culture von Cis-Männern auf der anderen Seite), Migration (Seenotrettung vs. kulturelle „Überfremdung“) oder eben wieder Krieg (Putin-Kritiker vs. Putin-Apologeten). Die Liste ließe sich extrem lange und durch alle politische Lager fortführen. Gemein ist allen: Alles ist schlecht, der Untergang steht quasi unmittelbar bevor.

Und in der Tat: Die Gefahr eines großen internationalen Konfliktes zwischen mehreren militärischen Machtzentren ist so groß wie lange nicht; spätestens seit dem 24. Februar 2022, als der Krieg Russlands gegen die Ukraine in eine neue, heiße Phase ging. Inwieweit die europäische Sicherheit hierbei auch durch die erneute Wahl Donald Trumps gefährdet ist, ist völlig unklar. Trump, der vermutlich lieber Buddy-Deals mit Kriegsverbrechern macht als militärische Unterstützung zu leisten, könnte das internationale Sicherheitsgefüge komplett aus dem Rahmen zerren. Und Putin, der nach Einschätzung des BND wohl auch nicht mehr davor zurückschreckt, ein kleineres, östliches NATO-Land (Lettland, finnische Inseln o.ä.) testweise anzugreifen – nur um zu demonstrieren, wie wenig das Bündnis im Ernstfall wert ist – kann sich zurücklehnen und die Show genießen, während EU und NATO sich an innerer Zerstrittenheit und Uneinigkeit zerreiben.
Aber auch der Nahost-Krieg eskaliert, der seit dem Terrorakt der Hamas am 7. Oktober 2023 gegen das israelische Volk ein militärisches Echo hervorgerufen hat, welches in Sachen Härte, Kriegsverbrechen und einem von einigen politischen Verantwortlichen gewollten Genozid in Gaza Ausmaße annimmt, die es in der Region bislang nicht gegeben hat. Dazu die Gefahr einer Annexion Taiwans durch China in den nächsten Jahren, was besonders die USA als Schutzmacht der kleineren Nation auf den Plan rufen wird – das Ausmaß und der Ausgang eines solchen Konflikts wären kaum abzuschätzen.

Wer sich neben obigen Hiobs-Botschaften jetzt noch ein wenig mit unbeachteten und medial unterrepräsentierten Konflikten wie dem Krieg im Sudan beschäftigt, dann die neuesten Infos zum Klimawandel und damit verbundene katastrophalen Auswirkungen auf die Lebensgrundlage von uns allen und zum krönenden Abschluss Informationen über die wachsende Sorge von Virologen vor einer Mutation des seit Jahren grassierenden Vogelgrippe-Virus (H5N1), dem neben Millionen Vögeln und Tausenden Meeressäugern mittlerweile auch Landsäugetiere zum Opfer fallen, konsumiert – dann endlich ist man beim Doom-Scrolling am Boden angekommen und kann sich suhlen im Dreck menschlicher und menschengemachter Abgründe.

Und wir haben hier dennoch nur an der Oberfläche gekratzt, wenn es um schlechte Nachrichten geht.

Wenn dieser Artikel jetzt so endet, hat er keinerlei Mehrwert produziert, außer – in Anlehnung an obiges Viren-Thema – Multiplikator für ansteckend miese Laune zu sein. Naheliegend wäre es. Und gesellschaftlich auch absolut mehrheitsfähig, besonders im pessimistischen Deutschland, wo ohnehin alles immer etwas düsterer, unsicherer und grundlegend einfach beschissener bewertet wird als bei einigen unserer Nachbarn. Bei den Dänen zum Beispiel. Natürlich ist etwas wie Glück zutiefst schwammig bei einer objektiven Messung, man kann mit nahezu beliebig vielen Ansätzen wie Wohlstand, Gesundheit, persönlicher Sicherheit, Gerechtigkeitsempfinden und noch aberwitzig vielen anderen Faktoren versuchen, dem Glück auf die Schliche zu kommen. Dennoch werden bei den Erhebungen, auf die sich verschiedenste Disziplinen (Sozialwissenschaft, Ökonomie, Psychologie u.a.) geeinigt haben, gewisse Länder immer im oberen Ranking platziert. Hauptsächlich skandinavische. Aber auch Israel taucht beispielsweise beim World Happiness Report 2023 auf Platz 4 auf. Deutschland ist ’nur‘ auf Rang 16, aber immerhin noch vor Tschechien (18), Frankreich (21) oder Polen (39). Länder des Globalen Südens sind hier natürlich kategorisch in den unteren Rängen zu finden. Solche Listen sind also auch immer zutiefst eingefärbt durch diejenigen, die sie innerhalb ihrer eigenen sozialen Blase erstellen mit denjenigen, die innerhalb ihrer eigenen Blase auf Befragungen für solche Listen antworten. Deutschland würde dann ja doch nicht so schlecht wie eben postuliert abschneiden, nur eben im Vergleich mit direkten Nachbarn – wenn man versteht, dass auch das nur Rosinenpicken ist, denn Belgien und genanntes Polen, aber auch Frankreich schneiden ja schlechter ab im Ranking.
Was soll dieser Ausflug in Statistiken über Glück und Ländervergleiche? Er soll zeigen, dass unsere Wahrnehmung der Welt zutiefst beeinflusst durch unsere persönliche Sicht ist. Wir sehen die Welt eben nicht ausschließlich so, wie sie ist – sondern wir sehen sie besonders auch so, wie wir sind. Wenn wir als Einzelpersonen in Deutschland jeden Morgen aufwachten und uns bewusst machten, wie sicher, satt und reich wir im Vergleich mit einem Großteil der Welt sind, dürften wir im Prinzip nicht mehr aus dem Lachen herauskommen. Da wir aber gesellschaftlich-systematisch beigebracht bekommen haben, uns immer nur mit jenen ‚über‘ uns zu messen – Reicheren, Satteren, Freieren – dann kommt schnell die Ernüchterung. Alltags-Stress durch Job, kleine Krankheiten, verstopfte Straßen, hektische Mitbürger, Schlangen an der Kasse, Hiobs-Botschaften im Fernsehen, Weltuntergangs-Artikel auf thebigwe.info – schon ist der Weg zum Doom-Scrolling nicht mehr weit.

Es gibt einen Begriff in der Psychologie, der heißt Selbstwirksamkeit: Er beschreibt den (potenziell positiven) emotionalen Wirkungsgrad eigenen Handelns innerhalb der eigenen Möglichkeiten. Soll heißen, wenn das Thema Klima-Katastrophe zu groß ist, bricht man es herunter auf einen Eigen-Beitrag, der auch leistbar ist. Etwa den Rasen vor der Tür oder im Park mit Wildblumensamen zu bestreuen, damit ein größerer Blütenreichtum auf der Wiese entstehen kann: Sieht schön aus, ist super für Bestäuber-Insekten und damit für die Biodiversität. Das wird die Erde nicht retten, und vielleicht werden die Pflanzen vom nächsten Gartendienst einfach wieder umgemäht. Aber vielleicht werden damit in der direkten Umgebung ein paar Lebewesen gerettet. Gibt doch ein gutes Gefühl.
Oder Briefe an Lokal- und Landes-Politiker*innen oder Bundestags-Abgeordnete schreiben. Zeigen, was man sich wünscht, welche Sorgen vorhanden sind. Den Rechten eben nicht dieses Feld überlassen. Klingt seltsam, hat aber einen hohen Grad an Selbstwirksamkeit und ist in der repräsentativen Demokratie neben Wahlen oder eigenem Parteieintritt eine Möglichkeit, direkten Einfluss zu nehmen.
Die Publizistin und bildungspolitische Aktivistin Marina Weisband hat das während der Corona-Pandemie wunderbar in einem kleinen Video-Beitrag veranschaulicht:

Negativnachrichten und Doom-Scrolling werden uns weiterhin jeden Tag begleiten. Die schlechten Nachrichten werden nicht verschwinden, denn sie sind Realität und wir müssen uns ihnen stellen. Entweder direkt, wenn wir uns aktiv mit ihnen beschäftigten, oder eben indirekt, wenn sie uns auf die Füße fallen: Weil wir Augen und Ohren verschlossen haben und dann eben plötzlich das Hochwasser bei uns im Keller steht — oder wir es sind, die in den Lauf einer Waffe blicken. Oder die Nachbarin ausgewiesen wird.
Wir können uns dem Kreislauf aus Bedrückung und Bedrohung aber zumindest zeitweise entziehen – sei es durch oben genannte selbstwirksame Handlungen oder kleine Fluchten in Film, Literatur, Sport oder Spiel. Oder einfach auch dadurch, indem wir gezielt nach guten Nachrichten suchen. Auch dafür gibt es Portale: goodnews.eu etwa, wo beispielsweise über die neuesten Fahrdienste für Frauen in Paris berichtet wird oder eine Tiertafel in Osnabrück. nur-positive-nachrichten.de ist vielleicht ein sperriger Domain-Name, macht dafür aber umso bessere Laune beim Lesen der Artikel, wenn es um weniger Elektroschrott in Sachsen oder eine Coming-Out-Fördergruppe im Sport geht. Auch größere Medienportale wie die ZEIT oder das ZDF haben eigens eingerichtete Seiten, die nur Positives berichten. Und wenn wir uns nur ein- zweimal die Woche dazu zwingen, eben nicht über Krieg oder Umweltzerstörung, über Femizid oder Fremdenhass zu lesen. Sondern über gute Nachrichten. Das hält uns in einer Welt, die aktuell zugegebenermaßen so bedrückend und frustrierend ist wie schon lange nicht mehr, vielleicht etwas in der Spur.

Es fällt dennoch unfassbar schwer …

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