Die wichtigsten Entscheidungen zu diesen Fragen werden in den kommenden Jahren wohl in der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone gefällt: Dieses etwa 7000 Kilometer lange Gebiet im Zentralpazifik – grob zwischen der mexikanischen Küste und den hawaiianischen Inseln gelegen – beherbergt neben einigen Hoheitsgewässern verschiedener Inselstaaten, darunter Nauru, auch internationale Zonen von wirtschaftlichem Interesse. Hier finden sich Tiefseeregionen mit Millionen Quadratkilometern Fläche, auf deren Böden Manganknollen lagern. Die International Seabed Authority (ISA) will in einigen der Regionen, die etwa die Fläche Europas haben, die ersten Abbaulizenzen vergeben, nachdem viele Länder in den letzten Jahrzehnten bereits Forschungsanträge zur Exploration gestellt hatten. Manche davon mit Fokus auf den ökologischen Einfluss, fast alle aber im Kern wirtschaftliche Machbarkeitsstudien. Innerhalb der 200-Meilen-Zonen haben internationale Gremien nur bedingt Einfluss, dennoch müssen sich Länder und Unternehmen auch hier an geltendes Recht zu Umweltschutz und Abbauvorschriften halten. Wie immer haben wir es hier mit einem Rennen zwischen Ökonomie und Ökologie, zwischen Wachstum und Wissenschaft zu tun.
Von daher ist die Entscheidung einiger Konzerne, auf Rohstoffe aus dem Tiefseebergbau verzichten zu wollen, zu begrüßen. Es ist auch positiv zu bewerten, dass gerade Länder wie Frankreich, die sich in den letzten Jahrzehnten nicht mit Ruhm bekleckert haben, was ihre wirtschaftlichen Interessen und Ausbeutungspraktiken in überseeischen Hoheitsgebieten anbelangt, sich nun für ein Verbot des Abbaus in der Tiefsee aussprechen. Andere Länder ziehen mit, die Schweiz, Kanada oder Neuseeland fordern ein Moratorium, Deutschland spricht sich neben Vanuatu, Brasilien, Schweden und anderen mindestens für ein Pausieren mit der Vergabe der Förderlizenzen aus, solange die ökologische Frage nicht geklärt ist. Während sich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Ende 2022 noch positiv gegenüber einem potenziellen Tiefseebergbau zeigte, hat sich die Lage durch weitere Studienergebnisse und internationalen Druck also zum Glück geändert.
Es zeigt sich also, dass das Argument, Manganknollen seien unersetzlich für die Energiewende, komplett erfunden ist. Es ist ein Scheinargument, mit denen Bergbaukonzerne und Offshore-Dienstleister wie The Metals Company oder die Schweizer Allseas gern bei Kritikern punkten wollen, obgleich es ihnen vordergründig darum geht, Rohstoffe zu fördern und zu verkaufen. Schnell und gewinnorientiert. Wie wir Menschen nun mal so sind. Was in zehn oder hundert Jahren ökologisch passiert, spielt keine Rolle, Hauptsache, bald gibt es Rendite. Diese Gier hinter scheinbar ökologisch wohlwollenden Absichten zu verstecken, ist schlichtweg ekelhaft und verstörend – aber es verwundert auch nicht besonders…
Doch das Problem sind auch internationale Gremien wie die International Seabed Authority, die einerseits zu langsam und ineffizient auf Problematiken des Tiefseebergbaus eingeht, andererseits wohl auch längst von Lobbyisten unterwandert ist. Mit der letzten Erklärung der ISA im Juli 2023 wurde bekannt, dass sich auf keine abschließenden Regularien zum Abbau am Meeresboden geeinigt werden konnte. Die Entscheidung wurde vertagt. Dennoch rechnen Firmen wie TMC mit Lizenzzusagen der ISA für Hoheitsgewässer wie beispielsweise Nauru noch in diesem Jahr, so dass 2024 mit dem Abbau begonnen werden könnte.
Wenn das passiert, drohen weitere Firmen mit in diesen neuen Industriezweig einzusteigen. Wo im Bergbau an Land mittlerweile mehr und mehr Konzerne durch öffentlichen Druck nach sogenannten ‚Social Licences to Operate‘ agieren müssen, herrscht ein durch den direkten ökologischen und sozialen Einfluss des Bergbaus auf benachbarte Menschen eine Art Korrektiv, soll heißen: Die Welt schaut hier eher hin. Im Tiefseebergbau, der meist mehrere Tausend Kilometer weit weg und kilometertief unter gigantischen Massen Wassers verborgen stattfinden würde, entfiele dieses Korrektiv. Durch den mangelnden Zugriff auf Informationen aus diesen Gebieten und den vordergründig nur indirekt spürbaren Einfluss auf Menschen droht dieser kommende Industriezweig ein Schattendasein in der ökologischen Debatte zu fristen. Das hilft den Unternehmen, und schadet dem Planeten. Und damit am Ende uns allen.