Vergifteter Boden

Die Folgen der Pestizid-Politik der EU

Viele Pflanzenschutzmittel enthalten so hohe Konzentrationen an giftigen Substanzen, dass sie Ökosysteme massiv bedrohen und beim Menschen schwere Krankheiten verursachen können. Da ist es doch toll zu wissen, dass die EU diese streng reguliert und in Europa weitestgehend verbietet. Weitestgehend … denn es gibt natürlich Schlupflöcher – und ins Ausland wird weiterhin kräftig exportiert.

Wer im bayrischen Mittelfranken beim Spazierengehen künftig kaum noch Bienen und andere Insekten antrifft, darf sich vermutlich bei Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der EU-Agrarkommission bedanken. In mehren Stichproben wurden in den Gewässern im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim viel zu hohe Konzentration an Thiamethoxam sowie Clothianidin nachgewiesen. Beide Wirkstoffe werden als Pestizid in der Landwirtschaft genutzt, um beispielsweise Zuckerrüben vor Blattlausbefall und deren übertragenen Vergilbungsviren zu schützen.

Allerdings sind diese zu den Neonicotinoiden gehörigen Insektizide in der EU seit einigen Jahren verboten und nur noch in äußersten Notzulassungen anwendbar. Der Grund für das Verbot sind die katastrophalen Auswirkungen auf Bienenpopulationen, die durch die Aufnahme dieser Giftstoffe gelähmt, desorientiert und auch bei Aufnahme geringer Dosen getötet werden können. In Zeiten abnehmender Biodiversität, besonders durch das Massensterben vieler Bestäuber hervorgerufen, ist der Schutz von Bienen und anderen Insekten ein äußerst wichtiges Thema.

Leider werden zugunsten von Profiterhalt, -maximierung und Wachstum immer wieder Notzulassungen für besonders schädliche Pestizide erlassen, für die sich – wie in obigem Fall in Mittelfranken – unter anderem das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stark gemacht hat. Die verantwortlichen Behörden verweisen auf Gesetzte und gängige Praktiken in anderen EU-Staaten – es wird sich also wie immer hinter Regularien versteckt.

Eine Fließgewässeruntersuchung, an dem unter anderem der Naturschutzbund Deutschland und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung beteiligt sind, zeigte im Juli 2021, dass fast 80 Prozent aller kleinen Fließgewässer in Deutschland viel zu hohe Bestandteile an Pflanzenschutzmitteln und anderen Giftstoffen aufwiesen – und das, obwohl die staatlichen Grenzwerte bereits viel zu hoch angesetzt seien.

Da hilft es auch wenig, dass in einer Untersuchung zum Flächenverbrauch in Bayern das traurige Resultat ist, dass das Land seine noblen Ziele zur Halbierung der Umwandlung von Naturflächen in Industriegebiete, Siedlungen oder Verkehrswege komplett verfehlt hat – im Gegenteil: Anstatt der politisch medienwirksam propagierten 5 Hektar pro Tag waren es im Jahr 2020 ganze11,6 Hektar, und damit noch 0,8 Hektar mehr als 2019 und 1,6 Hektar mehr als 2018. Damit wächst unweigerlich auch der Druck auf die Landwirtschaft, der damit ebenfalls weniger Flächen zur Verfügung stehen. Doch erneutes Wachstum ist gerade in Pandemiezeiten für viele das Gebot der Stunde, und die Bauern sehen sich mit mangelnden Absatzzahlen konfrontiert. Der Ertrag pro Fläche muss steigen, der Griff zum Pestizid und zur potenziellen Notzulassung scheint vorprogrammiert.

Doch damit nicht genug: Nicht nur im Inland offenbaren die EU und ihre Mitgliedstaaten einen schlechten Umgang mit ihren Pestiziden. Ins Ausland werden nämlich einfach all jene hochgiftigen Pestizide exportiert, die im entsprechenden Abnehmerland nicht verboten sind. Dabei belegen Studien für viele Gifte wie Paraquat oder Cyanamid gravierende gesundheitliche Schäden für Mensch und Umwelt. Selbst nach dem EU-Austritt des Chemie-Exportprimus Großbritannien exportiert die EU jährlich ca. 50.000 Tonnen an hochgiftigen Substanzen, besipielsweise in die USA, Brasilien sowie die Ukraine (die im Übrigen viele Agrarprodukte in die EU rückexportieren). Nach Schätzung der UNO sterben jährlich über 200.000 Menschen in Entwicklungsländern an den Folgen von Pflanzenschutzmitteln.

Letztlich ist es auch unser aller Konsum, der diese Ausmaße an Produktion befeuert. Wachstum ist gerade in Pandemiezeiten für viele das Gebot der Stunde, und die Bauern sehen sich mit mangelnden Absatzzahlen konfrontiert. Der Ertrag pro Fläche muss steigen, der Griff zum Pestizid und zur potenziellen Notzulassung scheint vorprogrammiert.

Konsum senken, ökologische Landwirtschaft fördern, Natürflächen erhalten, Produktion und Export von Giftstoffen verbieten – dies sollten einige der Ziele sein, damit wir nicht noch mehr auf den ökologischen Flaschenhals zusteuern, der mit zusehends reduzierter Biodiversität uns allen in Sachen Nahrungsmitteln und Anbauflächen bald den Saft abdrehen könnte.

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