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Quelle: Matt McClain/The Washington Post

Antebellum?

Die US-Regierung verschärft den Ton in der Innenpolitik. Nicht nur werden liberalere Städte mit dem Einsatz der Nationalgarde weiter unter Druck gesetzt, jetzt soll auch das Militär von allen Anzeichen progressiver Entwicklung befreit und auf autoritäre Linie gebracht werden. Nun auch noch der Shutdown. Besser könnte der Umsturz für Trump nicht laufen. Oder?

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth steht auf einer Bühne in der Marine Corpse Base Quantico, Virginia, einem der größten militärischen Ausbildungszentren des Landes. Hier werden nicht nur Soldat*innen ausgebildet, sondern auch die Agenten des FBI, der CIA und diverser weiter Sicherheits- und Geheimdienste. Doch Hegseth spricht an diesem Tag vor allem vor der crème de la crème der US-Streitkräfte, die dazu extra aus aller Welt eingeladen wurden. Das Ausmaß ist beachtlich, selten zuvor sind so viele Top-Offiziere versammelt: 800 hochrangige Militärs sitzen im Saal und lauschen einer Rede, die eher einem TED-Talk gleicht als einem Vortrag eines Regierungs-Vertreters. Man sieht Hegseth seine Erfahrung als FOX-Moderator an: Er spricht nahezu frei, hat kaum Aussetzer, weiß zu emotionalisieren, er beschwört, Alles in Allem hat seine Rede einen roten Faden. Doch ist weniger entscheidend, wie Hegseth redet, sondern was er da sagt: Schluss mit „wokeness“ im Militär, Schluss mit aus seiner Sicht übergewichtigen, politisch korrekten und transfreundlichen Beschäftigten im Militär. Schluss mit der „Anbetung des Klimawandels“. Der Soldat muss hart sein, groß, durchtrainiert, aggressiv und sich an Anforderungen messen lassen müssen, die dann eben auch keine genderspezifische Anpassung erfordern, soll heißen: Wenn Frauen es nicht bringen, dann raus mit ihnen. Es kriegt während seiner Rede jede gesellschaftspolitische Strömung ihr Fett weg, die der Trump-Regierung per se ein Dorn im Auge ist, die als linksliberal oder linksextrem tituliert wird, von den Demokraten oder Trumps Lieblings-‚Terrororganisation‘, der Antifa, als initiiert gelten. Hegseth zeigt deutlich, was er von all diesen Fragen, mit denen sich eben auch das Militär beschäftigt, hält: „Wir haben genug von diesem Scheiß.“ Fast nebenbei erwähnt er mit einem selbstverliebtem Lächeln auf den Lippen, dass jemand 2024 ja wohl ein Buch zu dem Thema veröffentlicht habe: Damit meint er sich selbst und seine Kulturkampf-Hassschrift gegen alles ‚woke‘. Ein US-Verteidigungsminister, der auf öffentlicher Bühne seine privatwirtschaftlichen Interessen auslebt. Das ist zum Rückwärtsessen.
Hegseth unterstreicht weiterhin, warum die US-Regierung das Verteidigungsministerium in ‚Kriegsministerium‘ umbenannt hat: Das Militär muss immer kriegsbereit sein, immer bereit, sofort und unmittelbar überall auf der Welt loszuschlagen, um seine Feinde zu besiegen. Frei nach ‚Si vis pacem, para bellum‘ – ‚Willst du den Frieden, bereite den Krieg vor‘.
Und das auch im Inneren. Hegseth und US-Präsident Trump, der nach ihm auftritt, sprechen offen davon, im Zweifel nicht nur die Nationalgarde, sondern eben auch die anderen Teile der US-Streitkräfte in jenen Städten einzusetzen, die laut Trump „kriegsverwüstete“ Hochburgen der Kriminalität und linksextremer Aktivisten seien, etwa Chicago, Washington, Los Angeles, Memphis oder jüngst Portland. Trump bezeichnet dies als „training grounds“, also „Übungsplätze“ für das US-Militär. Das kommt einer Kriegserklärung gegen das eigene Volk gleich. Die demokratisch geführten Städte (in meist demokratisch geführten Bundesstaaten) verteidigen sich gegen die Vorwürfe und werfen Trump Einschüchterungsversuche politischer Gegner vor. Portlands Bürgermeister Keith Wilson riet seinen Mitbürgern, gelassen zu bleiben, die Einsätze seien „nichts anderes als eine große Show“. Tatsächlich scheinen die Nationalgardisten, die aktuell durch Washington laufen, eher zu schlendern als zu marschieren. Aber sie sind ein Symbol: Für den Föderalismus, den Trump mit seinen Einsatzeintscheiden über die jeweilige bundesstaatliche Souveränität hinweg anzugreifen versucht. Und für den offenen Graben, den der Trumpismus willentlich quer durch die Gesellschaft gezogen haben. Der US-Präsident hasst seine Gegner. Dies hat er bei der Trauerfeier des erschossenen Rechtsaktivisten Charlie Kirk erneut gesagt. Donald Trump instrumentalisiert hier den Tod eines Menschen für seine politischen Botschaften und versucht zeitgleich, seine mittlerweile etwas gespaltene MAGA-Bewegung wieder mehr zueinander zu führen: Die Rassisten, die ihn für seine Deportations-Politik gewählt haben. Die Evangelikalen, für die Trump die Heilsbringerfigur in Fragen Abtreibung oder Stammzellenforschung darstellt. Dazu die Wirtschaftsliberalen und Tech-Milliardäre, denen er einen neuen amerikanischen Wirtschaftsboom verspricht (Drill, baby, drill!) – oder die er eben mit Klagen und Vergleichen auf Spur bringt. All diese versucht er, gegen seine ‚Feinde‘ zu vereinen, also gegen Demokraten, Queere, Umweltschützer, alle jene, die er allgemein als „Linksextreme“ beschimpft. 
Und die aktuellen Ereignisse könnten ihm helfen: Der Mord am angesprochenen Charlie Kirk, die tödlichen Schüsse auf einen ICE-Beamten in Texas, oder eben der jüngste Shutdown nach den gescheiterten Haushaltsverhandlungen im Kongress – ein Shutdown bedeutet in den USA das zwangsweise Ruhen sämtlicher behördlicher Aktivität außerhalb kritischer Infrastruktur. Trump hatte im Vorfeld öffentlich angedroht, dass im Falle einer Haushaltsblockade durch die Demokraten irreversible Maßnahmen ergriffen würden. Dazu zählten seiner Aussage nach die Streichung diverser, den Demokraten wichtiger Programme sowie die Entlassung von Behördenmitarbeitern. Ein Shutdown ist nichts Ungewöhnliches in den USA – allein seit 1981 gab es derer 15 – jedoch sind die Zeiten besondere: Selten waren die politischen Lager mehr verfeindet, die Kulturkämpfe härter, oder, was Trump ebenfalls hilft, die Demokraten zerstrittener und ratloser, stehen sie doch großteils immer noch unter Schockstarre ob der verlorenen Wahl. Inwieweit der Shutdown letztlich den USA im Ganzen und damit auch der Trump-Regierung schaden wird, bleibt abzuwarten. Es hängt von der Dauer ab. Der letzte Shutdown 2018/19, auch unter Trump, war mit fünf Wochen Dauer der längste der US-Geschichte. Nachhaltig geschadet hat es Trump wohl nicht.

Noch einmal Quantico: Die große Show erlebt Donald Trump nicht, nachdem er seinem ‚Kriegsminister‘ auf die Bühne folgt. Der US-Präsident ist irritiert über die Ruhe im Auditorium, er hatte sich wohl tosenden Beifall, „Trump“-, „USA“- oder „Fight, Fight, Fight“-Rufe gewünscht. Doch nichts dergleichen. Er kommentiert dies süffisant: „Wem nicht gefällt, was ich sage, der kann jederzeit gehen“. Vereinzeltes Lachen. Es folgt ein typischer Trump-Auftritt mit Selbstbeweihräucherung, Anklagen vergangener Regierungen und thematischen Ausflügen nach Hier und Da; so etwa erst über die Umbenennung des Verteidigungsministeriums, dann über den Golf von Mexiko, dann über die Freude daran, seine Unterschrift unter Regierungspapiere zu setzen. Trump lobt seinen Minister für dessen Rede und droht ihm gleichermaßen scherzhaft, da er erkannt hat, wie viel besser diese war. Despoten-Befindlichkeit.
Vielen der 800 geladenen Gäste stehen die Fragezeichen bei den Reden Trumps und Hegseths ins Gesicht geschrieben, manche Lacher aus dem Publikum wirken eher gezwungen, wenn Trump seine indirekten Rauswurf-Drohungen komisch verpacken will oder sich über den tänzelnden Schritt von Ex-Präsident Obama lustig macht. Gerade im Gegensatz zu Hegseths sehr strukturiertem Auftritt dürfte Trumps Rede kaum einen Nachhall in den Köpfen der Anwesenden hinterlassen. Militärs sind keine Zivilisten, die mit Anekdoten oder per Tweet-Sprech mobilisiert werden können. Auch sind sie in erster Linie der Verfassung verpflichtet und keinem Präsidenten mit Cäsar-Komplex. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Mitteln Trump diese Schicht der amerikanischen Gesellschaft für sich zu gewinnen gedenkt. Denn er braucht das Militär hinter sich, will am liebsten die wichtigsten Posten mit Loyalisten besetzen. Teilweise hat er das auch schon getan, etwa wichtige Pentagon-Verantwortliche ausgetauscht.
Ob und wann in den oberen Rängen zum ersten Mal deutlich die Stimme gegen diese Regierung erhoben werden wird, ist offen. Vielleicht, wenn Trump tatsächlich die Annexion Grönlands anordnen sollte. Oder den Schießbefehl auf Demonstranten gibt, die er als „enemies within“ bezeichnet. Doch sicher ist das nicht. Noch weniger, ob das Militär dann geeint sein wird. Auch solche Faktoren beeinflussen Umstürze oder sind Symptome dieser: Eine kritische Masse an militärischer Gewalt unter sich vereinen oder gegebenenfalls beseitigen zu können; die Geschichte der Sowjetunion, Nazi-Deutschlands oder Chiles zeigen dies beispielhaft. Inwieweit dies in den USA, der größten Militärmacht der Welt, geschehen wird, bleibt spekulativ. Ein US-Präsident bräuchte ein massives Schock-Ereignis, um die gesamte Armee ohne Gegenspruch kontrollieren zu können, besonders, wenn er sie gegen das eigene Volk einsetzen will. Fakt ist aber: Die Lage in den USA, den Unvereinigten Staaten von Amerika, wird mit jedem Tag fragiler. Der Krieg im Inneren, der bislang noch mit Hassrede, Einschüchterungsversuchen durch Nationalgardeneinsätze in Großstädten oder Gerichtsprozessen über Behördenverschlankung geführt wird, könnte in absehbarer Zeit in eine andere Richtung ausschlagen. Wie wird Trump reagieren, wenn die Midterms, die Kongresswahlen 2026, nicht so laufen, wie er es sich erwünscht? Wird es überhaupt noch Wahlen geben? Dass man sich überhaupt über solche – für die Demokratie katastrophale – Zukunfts-Szenarien Gedanken machen muss, zeigt, in welchem Zustand sich die USA befinden. 
Wenn es Trump gelingt, vielleicht auch durch die weitere Aushöhlung des Staatsapparates im Rahmen des aktuellen Shutdowns, die Regierungsmacht weiter in seiner Person und den loyalen Minister*innen zu zentrieren, enden die Vereinigten Staaten früher oder später im Autoritarismus. Was tut dann eine wehrhafte Demokratie, wenn das politische und juristische Korrektiv versagen? Aktuell ist noch gut die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung gegen diesen Kurs. Wenn dieser Teil der Bevölkerung dann laut und demonstrierend bleibt, wird der Druck auf die Trump-Regierung aufrecht erhalten. Zeitgleich werden aber die Repressalien, zu denen autoritäre Regimes gegen Oppositionen greifen, die Lage wohl weiter eskalieren lassen. Da die Gesamtbevölkerung der USA aber verhältnismäßig stark bewaffnet ist, kann man sich den Rest des Geschichtsverlaufs mit einer Prise Kulturpessimismus vielleicht selber ausmalen. Auch dann wird die Rolle des US-Militärs entscheidend sein.

Der deutsch-amerikanische Historiker Volker Depkat antwortet im Zeit-Interview auf die Frage, wo er die USA im politischen Spektrum zwischen Demokratie und Diktatur sieht: „Am Scheideweg“. Die „Selbstreinigungskräfte“ einer demokratischen Zivilgesellschaft, die außerhalb der oft zitierten ‚checks and balances‘ existieren, könnten nach Depkat vielleicht überschätzt worden seien. Aber er warnt auch deutlich davor, nicht zu voreilig in sich selbst erfüllende Prophezeiungen von Endzeitszenarien zu verfallen, die im Endeffekt nichts Anderes sind als eine Umformung jener Krisen-Narrative, mit denen in der Regel Rechtspopulisten Stimmung machen. Seine Hoffnung bleibt in einer 250 Jahre alten demokratischen Kultur, die Bürgerkriege, Weltwirtschaftskrisen und Weltkriege überlebt hat.
Hoffen wir mit.

Andreas Klöpping

  • Oktober 1, 2025

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1. Oktober 2025

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