Aktuell befinden sich Trump und sein Team aber voll im Siegesrausch über ein demokratisches Amerika, das sie nun erstmal, mit der Mehrheit im Kongress und im Supreme Court, nach ihren Vorstellungen umzubauen gedenken. Insgesamt kamen die ersten Stunden von Trumps Präsidentschaft eher einer verlängerten Wahlkampfveranstaltung gleich. Sie zeigten, welch politischer Diskurs jetzt in den USA herrschen wird. Polemik, Law and Order, Isolationismus und offene Drohung. Während Trump in seiner ersten Amtszeit noch von republikanischen Politik-Profis und Diplomaten umgeben war, hat sich seine Partei in den letzten acht Jahren zu einer populistischen Ja-Sager-Partei unter Trump zurechtgestutzt, sodass jetzt nur noch handverlesene Loyalisten im Kabinett und im Kongress sitzen. Am Obersten Gerichtshof sind sechs der neun Richter*innen dem Trump-Lager zuzuordnen. Und was der neue alte Präsident mit Kritikern macht, sieht man an ehemaligen Weggefährten wie Ex-Berater John Bolton und dem früheren Außenminister Mike Pompeo: Beiden hat er bereits den Personenschutz durch den Secret Service entzogen – ungeachtet dessen, dass Pompeo offen vom Iran bedroht wird.
Nicht nur wird diese Amtszeit zur Zerreißprobe der politischen Kultur, sondern auch gesellschaftlich von weiterer Spaltung begleitet werden. Die „Vereinigung“ und „Friedensstiftung“, die Trump in seiner Antrittsrede ankündigt, sind nichts Anderes als eine Aufforderung zur Unterwerfung an seine politischen Gegner und Gegnerinnen. Seine despotischen, protofaschistischen Äußerungen und imperialen Träume muss er nun nicht mehr in Interviews bei FOX oder auf seinem eigenen Social-Media-Kanal Truth Social verbreiten, sondern kann sie ungeschont als US-Präsident in die Kameras der Welt hinausrufen. Fehlt eigentlich nur noch der Hitlergruß – ach nein, den hat Elon Musk ja am selben Tag gleich nachgeliefert. Diese weißen Männer (es sind fast nur solche) werden den gesellschaftlichen Alltag, von der Arbeit über die Bildung bis zum sozialen Zusammenleben, derartig prägen, dass die US-Gesellschaft sich im wahrsten Sinne des Wortes extrem wandeln wird.
Es ist wahrlich das Dilemma der Demokratie, dass sie in solchen kritischen Zeiten, wo ihre Selbstwirksamkeit an den Sollbruchstellen des Populismus und der Demagogie zu zerbrechen droht, ungläubig am Seitenrand steht und einem solchen Mann das wichtigste politische Amt der Welt überlässt. Wehrhaft sieht das nicht aus. Die Gesichter der ehemaligen Vertreter der Regierungsmacht – Biden, Clinton, Obama, Harris – wirken verzweifelt und gefasst zugleich. Sie allein können vielleicht wirklich abschätzen, was da jetzt auf uns zukommt. Selbst wenn Trump in seiner Amtszeit mit vielen seiner Vorhaben an der politischen und juristischen Realität scheitern könnte, selbst wenn er vielleicht nur ein Drittel dessen umgesetzt bekommt, wird sich die USA, und in ihrer politischen Strahlkraft die Welt um sie herum massiv verändern.
Das Zeitalter der sich zwar immer wieder irrenden, scheiternden, streitenden und auch fatal fehlentscheidenden Demokratien, die aber im Kern Menschenrechte und Gleichberechtigung in die Welt tragen wollten, ist zu Ende. Das Zeitalter der Oligarchie, des Populismus und des Neo-Imperialismus hat begonnen. Denn vergessen wir eines nicht: Trump ist kein Teufel, kein Dämon, den es nur auszutreiben gilt, damit die Welt wieder Frieden haben wird. Trump ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Es ist sein Typus Mensch, der sich mehr und mehr in der Unaufmerksamkeit und Selbstzufriedenheit der Demokratien entwickeln konnte. Diese Art Menschen versammeln sich gerade um die Machtzentren der wichtigsten und einflussreichsten Demokratien der Welt, in den USA ebenso wie hier in Europa. Es wird eine Zeit nach Trump geben, aber mit großer Wahrscheinlichkeit keine Zeit, in der sein politischer und gesellschaftlicher Einfluss wieder aus der Welt verschwinden wird. Der Geist ist aus der Flasche, und die Welt wird das trumpsche Miasma tief einsaugen.
Und unsere Mienen ob der Wirkung versteinern.