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Credit: freepik

US-Wahl: Gewerkschaften als Zünglein an der Waage

Die Wahl zur 60. Präsidentschaft in den USA ist so knapp wie selten zuvor. Wieder einmal werden die sogenannten Swing States diese Wahl entscheiden. Ein wichtiger Faktor werden hierbei die organisierten Arbeitnehmer darstellen – denn auch viele Gewerkschaften sind gespalten.

Trump oder Harris? Radikaler autoritärer Populismus gegen demokratisches Grundverständnis. Die USA stehen vor der Zerreißprobe, die gesellschaftlichen Gräben sind so tief wie seit Langem nicht, die politischen Gegner*innen sind nicht nur einfache Kontrahenten, sie sind Feinde. Eigentlich sollten die Fronten in der Wählerschaft der Angestellten hier klar verteilt sein: Wer sich für Arbeitnehmerrechte, ausreichende Bezahlung, Krankenversicherung und Work-Life-Balance einsetzt, sollte auf der Seite jener stehen, die solche demokratischen Grundprinzipien auch hochhalten und dafür einstehen wollen, und das ist das Team Kamala Harris und ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz. Gerade Walz, der als Gouverneur von Minnesota als sehr gewerkschaftsnah und arbeitnehmerfreundlich gilt, sollte hier für Stimmen sorgen. Aber in den USA ist diese Trennlinie gar nicht so klar zu ziehen – nicht einmal innerhalb einer vermeintlich homogenen Arbeitnehmerinnenschaft.

Besonderes Augenmerk verdienen hier zwei Staaten, die für die US-Wahl entscheidend sein werden: Die Swing States Michigan und Pennsylvania gelten als wichtige Faktoren, denn sie stellen im Electoral College (das Wahlgremium, das letztendlich den/die Präsident/in wählt) 15 respektive 19 Wahlleute. In Michigan gibt es für US-Verhältnisse relativ viele Arbeitnehmer, die in Gewerkschaften organisiert sind und/oder durch diese vertreten werden: Gemessen an der Gesamtbeschäftigtenzahl machen das 14,1 Prozent aus, dies sind etwa 620.000 Menschen. In Pennsylvania sind es sogar 14,2 Prozent (etwa 822.000).
Beide Staaten haben einen großen Anteil an Beschäftigten in der Fertigungsindustrie: So gibt es in Pennsylvania viele Menschen, die in der Stahlerzeugung, im Maschinen- und Elektrogerätebau sowie in der Öl-Industrie arbeiten.

Am besten lässt sich die politische Spaltung der Gewerkschaften am Beispiel von Michigan veranschaulichen: Der Bundesstaat im Norden der Vereinigten Staaten ist als der Staat der US-Autoindustrie bekannt, General Motors hat hier seinen Sitz, genauso wie Ford. Hier wurden die ersten optimierten Fließbandarbeiten der modernen Industriegeschichte durchgeführt, die gesamte moderne und kapitalisierbare Mobilität nahm hier ihren Anfang. In Michigan sind die Gewerkschaften der Autobauer, der United Auto Workers (UAW) sowie die Gewerkschaft der Transportarbeiter, die International Brotherhood of Teamsters (IBT), besonders stark. Die UAW wird von Shawn Fein geführt, einem erklärten Harris-Anhänger und oft hemdsärmelig auftretenden großartigen Redner: Legendär geworden ist sein Auftritt beim Streik der Autobauer im Oktober 2023, bei dem Fein mit einem ‚Eat the rich‘-T-Shirt vor die Kameras trat.
IBT-Chef Sean O’Brien wiederum ist klar auf der Seite der Republikaner zu verorten: Dies ist einerseits historisch auf die Tatsache zurückzuführen, dass der frühere Teamsters-Chef Jimmy Hoffa 1971 vom damaligen (republikanischen) Präsidenten Richard Nixon begnadigt wurde, obwohl Hoffa nachweislich in Mafia-Geschäfte, Bestechung und andere kriminelle Aktivitäten verwickelt war – eine Art historische Dankbarkeit der Gewerkschaft gegenüber einem der umstrittensten Präsidenten der US-Geschichte also. Andererseits sind unter den Transportarbeiter*innen viele LKW-Fahrer*innen, die für die Öl-Industrie fahren und Donalds Trump Credo „Drill, baby, drill“ als Rückkehr zu einer US-Autonomie von internationalen Rohstoffen verstehen und damit ihre Arbeitsplätze sichern wollen.
Dennoch sind beide Gewerkschaften in ihrer politischen Entscheidung zutiefst gespalten: Es gibt Teamsters, die niemals für Donald Trump stimmen würden: Selbst Sean O’Brien gilt zwar als Republikaner, aber nicht als ausgewiesener Trump-Supporter. Und genauso gibt es Autobauer*innen aus den Reihen der UAW, die die Gruppe „Auto Workers for Trump“ gegründet haben. Ihrer Meinung sei die Wahl eines demokratischen Präsidenten in den 1990ern (namentlich Bill Clinton) für die Deindustrialisierung des Standortes Detroit verantwortlich, unter anderem weil durch sie zugelassen wurde, dass Tausende Arbeitsplätze ins Ausland verlagert wurden. Diese Gruppe will keinesfalls demokratisch wählen.

Alles in allem sprechen die Zahlen, wenn es um Gewerkschaften und US-Wahlen geht, für die Demokraten: Rund 59 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder wählen in der Regel demokratisch. Umfragen zufolge bewerten 43 Prozent eine Präsidentschaft von Harris als vorteilhaft für Gewerkschaftsmitglieder, während bei Trump dies lediglich 26 Prozent tun. Bei der allgemeinen registrierten Wählerschaft ist es noch deutlicher: Während 75 Prozent der Demokraten Gewerkschaften für wichtig halten, sind des bei den Republikanern gerade mal 35 Prozent.

Aber wie das mit Zahlen und Statistiken nun mal so ist, verlässlich sind sie meist nicht: Denn Kamala Harris hat nicht nur bei der organisierten Arbeiterschaft mit vielen unsicheren Faktoren zu kämpfen. Besonders, weil diese mal etwas entscheidend anders ist: Weil Kamala Harris nun mal eine Frau ist. Männer scheinen ein extremes Problem damit zu haben, einer Frau die Führungsposition der Vereinigten Staaten anvertrauen zu können. Dies fällt erstaunlicherweise auch unter Hispano- und Schwarz-Amerikanern besonders auf. Sogar so extrem, dass Ex-Präsident Barack Obama sich bei einem Treffen von Wahlhelfer-Organisationen zu deutlichen Worten hinreißen ließ: Es sei schlicht nicht akzeptabel, dass viele Wähler aus rein sexistischen Gründen zögerten, überhaupt zur Wahl zu gehen oder im Gegenzug sogar Trump unterstützten. Männer kämen mit allerlei vorgeschobenen Gründen oder Entschuldigungen daher, warum sie Kamala Harris ihre Stimme nicht geben könnten. Das sei ein echtes Problem.
Dieses Problem, dass genauso auch unter weißen Männern existiert, ist sicher einer der Gründe, warum Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidat mit ins Boot geholt wurde. Walz gilt als bodenständig, anpackend, nahbar. Ein ehemaliger Lehrer, der im Militär gedient hat, sowie ein ehemaliger Football-Trainer, der ihm den Spitznamen „Coach Walz“ eingebracht hat. Walz vereint in sich also Eigenschaften, die im patriarchalen Denkmuster als ‚männlich‘ konnotiert sind. Dazu gilt der Gouverneur von Minnesota unter den Politiker*innen in den USA als verhältnismäßig armer Mensch – Walz ist nicht mal Millionär. 
Das alles wird mit in die Wahlkampfplanung eingeflossen sein, weil das Team um Harris um die Schwäche bei der männlichen Wählerschaft wusste, und hier eben besonders auch unter den klassischen Arbeitern. Ob das Harris‘ Dilemma mit der männlichen nicht-weißen Wählerschaft lösen wird, bleibt abzuwarten. Nominell sind die meisten organisierten Arbeitnehmer*innen weiß, jedoch ist relativ gesehen die Anzahl an schwarz-amerikanischen Beschäftigten in Gewerkschaften etwas höher, wobei sich die Geschlechter hier etwas gleichmäßig verteilen.
Es ist also nicht nur eine Frage der politischen Wahrnehmung von Parteiprogrammen oder Wahlversprechen der Kandidat*innen, sondern vermutlich im gleichen Maße auch eine Frage von Geschlechtergerechtigkeit. Dass dies im Jahr 2024 immer und immer und immer noch ein Thema ist, ist extremst ermüdend – zeigt es doch wieder ein Mal, wie halbgar und verlogen solche gesamtgesellschaftlichen Konzepte gerade bei kritischen Fragen gelebt werden.

Es gibt viele Gründe, mit einem extrem mulmigen Gefühl auf den 5. November 2024 zu schauen – denn es geht nicht nur um die nächste Präsidentschaft in den USA, sondern um die Entscheidung zu Grundprinzipien von gesellschaftlichen Verhältnissen, politischen Ideologien, Demokratie vs. populistische Autokratie, progressiv oder erzkonservativ; es ist in der Tat ein sprichwörtlicher Kampf der Kulturen. Das ist seit Langem kein innenpolitisches Problem in den Vereinigten Staaten mehr, sondern hat neben den Fragen wie der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Demokratie, Gleichberechtigung oder auch einer nachhaltigen Sozial- und Umweltpolitik wieder zunehmend geopolitische Konsequenzen: Spätestens mit dem Ukraine- und Nahost-Krieg sowie dem heraufziehenden Konflikt im Südchinesischen Meer hat eine heißere Phase bei Fragen internationaler Sicherheit begonnen. Wenn Donald Trump erneut ins Weiße Haus einziehen sollte, werden wir so fundamental radikale Handlungsstrategien und Destabilisierungen in einem multipolaren Machtgefüge erleben wie seit vermutlich 100 Jahren nicht mehr. Das hat der Historiker Yuval Noah Harari sehr anschaulich im Gespräch mit der ZEIT dargelegt.
Hoffen wir also, dass sich der Großteil der in den USA gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten bei der Wahl nicht nur daran erinnert, was Demokratie bedeutet und was das Gegenteil davon für ihre eigene Interessenvertretung bedeuten könnte – sondern auch, was ihre Entscheidung für die Welt im Allgemeinen für Folgen haben wird.

Andreas Klöpping

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